Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Peter Csendes: Stadtentwicklung und Stadtplanung in Wien im 19. Jahrhundert
37 Platz, sodass ganze Straßenzüge - wie etwa die Kärntner Straße oder der Graben - durch Abreißen der bestehenden Objekte und Herstellung neuer Baulinien verbreitert und in ihrem Aussehen völlig verändert wurden. Auch alte Vorstadtpalais, die über erheblichen Grundanteil verfügten, verschwanden, auf den parzellierten Flächen entstanden neue Baublöcke. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Bauordnung, die 1883 erlassen worden war und eine 85%ige Ausnützung des Baugrundes zuließ. Die Hoffnungsgebiete lagen jedoch vor der Stadt. 1861 hatte Kaiser Franz Joseph I. die Anlage der Gürtelstraße genehmigt, die als äußerer Ring an die Stelle des Linienwalls treten sollte. Die so genannten Vorortegemeinden, die außerhalb des Wiener Verzehrungssteuerrayons lagen und in denen die Lebenshaltungskosten bedeutend niedriger und die industriellen Produktionsbedingungen günstiger waren, hatten im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein bedeutendes BevölkemngsWachstum erfahren - gegen Ende des Jahrhunderts lag es bei ca. 11 % gegenüber 2 % in der Stadt. Das war eine Lolge der Errichtung von Industrieanlagen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Davon profitierten besonders die Gemeinden entlang des Wienflusses. Aber auch nördlich der Donau ist eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten. Der 1786 auf Gründen des Stifts Klosterneuburg entstandene Ort Klosterneuburg entwickelte sich im Lauf des folgenden Jahrhunderts zu einer industriellen Großgemeinde und wurde 1904/05 nach Wien eingemeindet. Eine wesentliche Veränderung in den Industriestandorten ergab sich jedoch erst ab den 1860er Jahren. Die Schwerindustrie (Maschinenbau, Eisenbahnbau) und die chemische Industrie, später die Elektroindustrie, siedelten sich in Anbetracht der vorhandenen Eisenbahnlinien besonders in den Vororten südlich und östlich der Stadt, aber auch nördlich der Donau an. Auch der Bahnbau und die Situierung der Bahnhöfe am Rand der Stadt spielten dabei eine wesentliche Rolle. Die Gemeinden waren selbst an der Aufschließung ihrer Grundreserven interessiert und gaben Regulierungspläne in Auftrag. 1862 wurden sie sogar dazu verpflichtet. Auch hier hatte man Spekulationsgewinne vor Augen und trachtete, eine möglichst hohe Zahl an Bauparzellen zu gewinnen, wogegen Grünflächen zurücktreten mussten. Rühmliche Ausnahmen waren das Cottageviertel in Währing und der diesem benachbarte Türkenschanzpark. Kaum Rücksicht wurde auf eine bewusste Verteilung von Wohn-, Geschäfts- und Industriezonen genommen, auch achtete man wenig auf die Entwicklung in den Nachbargemeinden und in der Stadt Wien, ungeachtet verschiedener Initiativen, wie sie etwa durch den Ingenieurund Architektenverein im Interesse der Allgemeinheit erfolgten. Erst 1893 genehmigte der Wiener Gemeinderat für das vergrößerte Stadtgebiet einen Bauzonenplan, der eine grobe Gliederung nach vorherrschender Wohn- oder Industrienutzung sowie eine vom Stadtzentrum zu den Außenbezirken hin abnehmende Gebäudehöhe vorsah. Ein zentrales Thema angesichts einer rasant anwachsenden Bevölkerung musste die Wohnungsfrage sein. Die Kommunalpolitik überließ diese Aufgabe dem