Erzherzog Ludwig Salvator – Ein Leben für die Wissenschaft 1847-1915

EINLEITUNG

„grotesk“ anmutende Kleidung bediente, ohne jedoch auf den eigentli­chen Kern derartiger Aussagen hinzuweisen, die ausnahmslos darin übereinstimmten,“daß man sein Äußeres über die bedeutende Persön­lichkeit vollkommen vergessen mußte“, ja „daß man“, wie Kronprinzessin Stephanie feststellte, sogar „leicht darüber hinwegkam“, wirkten doch Ludwigs „Humor und überlegener Geist“ derart „gewinnend“.3 Als entsprechend unzutreffend erweist sich auch die Bezeichnung Ludwigs als „Aussteiger“. Ohne die Zustimmung Kaiser Franz Josephs, der dem Familienstatut gemäß das in jeder Beziehung absolute Ober­haupt der Familie Habsburg darstellte, hätte nämlich Erzherzog Ludwig Salvator seine wissenschaftlichen Vorhaben, vor allem die Durchführung seiner bei aller persönlichen Bescheidenheit im Grunde doch kostspieli­gen Reiseprojekte nicht verwirklichen, sich gegen den Willen des Kaisers aber auch nicht durch Austritt aus dem Kaiserhaus durchsetzen können, denn ohne die kaiserliche Apanage, die die männlichen Mitglieder der Toskana-Linie mit Erreichung der Großjährigkeit seit dem Verlust der Tos­kana bewilligt bekamen, wäre es ihm, wenn überhaupt, lediglich in einem höchst bescheidenen Rahmen möglich gewesen, seinen Interessen nach­zugehen. Franz Josephs zahlreiche telegrafisch erteilte Reise-Genehmi­gungen fügen sich daher in das von Paul Nikitsch-Boulles gezeichnete Bild, wonach Franz Joseph „ganz gegen seine sonstige Gewohnheit“ Lud­wig das eigentümliche Verhalten und Aussehen „nicht nur nicht übel“ nahm, sondern ihm dessen „offener Sinn ... geradezu“ gefiel, und er es liebte, „dessen Ansichten über die verschiedensten Dinge mit unverblümter Auf­richtigkeit vorgetragenzu hören“.4 Aller Abneigung höfischen Zeremoniells und jeglicher offizieller Auftritte und Verpflichtungen entgegen betrachte­te Ludwig Salvator Franz Joseph sehr wohl stets als höchste Autorität und gab seiner Ehrerbietung auch in den Gedanken anläßlich des Kaiser­jubiläums von 1898 Ausdruck, die er mit dem Wunsche schließt, „unser guter Kaiser und König“ möge „die Früchte jenes Reichthums genießen, den unser gemeinsamer Urgroßvater in seinem Wahlspruche so gut aus­drückte: Vives principis corda subditorum“5. Gerade diese, die Herzen der Untertanen als wahren Schatz der Könige betrachtende Einstellung des gemeinsamen Urgroßvaters, des Großherzogs Pietro Leopoldo von Toskana und späteren Kaisers Leo­pold II., findet sich auch in Ludwig Salvator wieder, der als Sohn des letzten regierenden Großherzogs von Toskana im Geiste der aufkläreri­schen Tradition erzogen, seinem Urgroßvater gleich, das Wohl der Men­schen vor Augen hatte. Ein Wohl, das jedoch nicht ausschließlich im wirt­schaftlichen Vorteil besteht, sondern vor allem auch mit Erziehung, Bil­dung, Kultur und Wissenschaften zu tun hat. Zunahme, Erwerb und Verbreitung von Wissen und Kenntnissen waren für Ludwig Salvator von grundlegender Bedeutung wie weitreichen­dem Nutzen, und sollten neben deren vorteilbringenden Anwendung im öffentlichen Bereich auch zur persönlichen Horizont-Erweiterung des ein­10

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