Peter der Große in Wien - Ausstellung im Österreichischen Staatsarchiv

ZUM GELEIT

Ausstellung im Österreichischen Staatsarchiv - „Peter der Große in Wien“ 3 sönlich zu begegnen. Der Kaiser, obwohl seine Macht durch die Reformation und den Dreißigjäh­rigen Krieg stark eingeschränkt war, galt noch immer als der höchste weltliche Herrscher der Christenheit* 4, und die Begegnung mit ihm konnte für Peter eine sehr wichtige Rolle spielen, um Entscheidungen in den Fragen der großen Politik zu treffen. Nach Riga und Kurland hielten sich der Zar und die Gesandtschaft fast zwei Monate in Ostpreußen, in Königsberg und Pillau auf und warteten ungeduldig auf Nachrichten aus Polen. Der zuverlässi­ge Türkenfeind König Johann Sobieski war am 17. Juni 1696 gestorben und es sollte ein neuer König gewählt werden. Das polnische Interregnum stellte das neue mit dem Kaiser und Venedig abgeschlossene Defensiv- und Offensivbündnis in Wien (8. Februar 1697) auf eine erste Bewäh­rungsprobe. Peter schrieb deshalb aus Pillau dem Kardinalprimas von Polen, Radziejowski, und den Senatoren, daß eine Wahl des französischen Kandidaten, des Herzogs de Conti, unerwünscht sei und den „Ewigen Frieden“ mit Polen und die antitürkische Koalition gefährden könnte.5 6 Die Note enthielt keine direkte militärische Drohung, aber es war zu dieser Zeit bekannt, daß die rus­sischen Truppen an der litauischen Grenze konzentriert worden waren. Die Wahl des Kurfürsten von Sachsen Friedrich August I., des Starken, als polnischer König August II., sicherte die weitere Teilnahme Polens in der antitürkischen Koalition und letztlich den Bestand der Heiligen Liga. Nach der politischen Entscheidung in Polen beschloß der Zar, seine Reisepläne zu ändern und zuerst nach Holland und England und erst später nach Wien zu reisen. Entschei­dend für diese Änderung der Reisepläne waren die neuen Verhältnisse in der europäischen Politik und die Tatsache, daß am 9. Mai 1697 in einem Schloß bei Ryswijk (Holland) der Friedenskongreß zur Beendigung des französischen Krieges eröffnet worden war. Am 10. Juli 1697 setzte der Zar die Reise in Richtung Holland fort. Insgesamt verbrachte Peter viereinhalb Monate in Amsterdam. Die Eindrücke und die dort erworbe­nen Kenntnisse umfaßten alle Gebiete des menschlichen Wissens. Er nahm an Flottenmanövern teil und besuchte Handwerksbetriebe und Krankenhäuser. Gleichzeitig unternahm er Ausflüge nach Utrecht, Den Haag, Delft und Leiden, wo er mit berühmten Gelehrten zusammentraf und Gesprä­che mit Fachleuten - Baumeistern, Buchdruckern und Schiffsingenieuren - führte. In den Bann­kreis der westeuropäischen Politik getreten, mußte Peter enttäuscht feststellen, daß die europäi­schen Länder weit von seinen „Kreuzzugstimmungen“ entfernt waren und andere Interessen und Pläne hatten. Vom 21. Januar bis zum 5. Mai war der Zar in England. Hier erreichte ihn im April die beunruhi­gende Nachricht, daß der Kaiser im Hinblick auf die zu erwartenden Auseinandersetzungen um die spanische Erbfolge zu einem Frieden mit den Türken bereit sei. Zurück nach Amsterdam ge­kommen, bekam Peter weitere Informationen darüber. Es schien, daß die Vision vom Zugang zum Schwarzen Meer, die nach dem Sieg von Azov greifbar nahe war, in weite Ferne rückte/' Da die Österreichisches Staatsarchiv Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv [in Hinkunft: HHStA], Rußland I, Karton 17, Konvolut 1697, fol. 91 r. 4 R. Massie, Peter der Große und seine Zeit. Frankfurt am Main 1986, S. 195. 5 E. Anisimov, The Reforms of Peter the Great. New York 1993, pp. 49-50. 6 R. Neumann-Hoditz, Peter der Große. Hamburg 1983, S. 55.

Next

/
Oldalképek
Tartalom