Peter der Große in Wien - Ausstellung im Österreichischen Staatsarchiv

ZUM GELEIT

Ausstellung im Österreichischen Staatsarchiv - „Peter der Große in Wien“ 4 Stärkung der Heiligen Liga als offizieller Grund für die Reise der Gesandtschaft angegeben war und dieses Ziel jetzt in Frage gestellt wurde, reiste Peter am 25. Mai nach Wien, um zu sehen, ob der Kaiser nicht von seinen Friedensplänen abzuhalten sein werde.7 Peter eilte nach Wien, bevor es zu spät war. Über Leipzig, Dresden und Prag kam der Zar nach Stockerau. Er war vor Wien, dem Herzen des Hei­ligen Römischen Reiches. Wien war aber auch Teil der katholischen Welt, „überfrachtet mit Tra­ditionen und altem Zeremoniell“.8 Die kaiserlichen Abgesandten, die ins Lager der Gesandten ka­men, um den Einzug zu organisieren und das Protokoll des Zarenbesuchs festzulegen, wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Der Fall war noch komplizierter dadurch, weil der Zar „offiziell“ gar nicht da war. Wie konnte man jemanden empfangen, der nicht da ist? Wie sollte man dem jungen Mann, der unter dem Namen Urjadnik (Unteroffizier) Pjotr Michailov reiste, die gebührende Ehre erweisen? Nach viertägigen Verhandlungen, in denen alle Einzelheiten geklärt und festgelegt wurden, zog die Gesandtschaft am Abend des 26. Juni in Wien ein und wurde im Königsegg’schen Palais in Gumpendorf einquartiert. Einen ganzen Monat lang verhandelte man danach über die Art und Weise, wie der offizielle Emp­fang stattfinden sollte. Oft schreiben die Historiker, daß die Große Gesandtschaft vernachlässigt wurde und nicht vom Kaiser sofort empfangen wurde. Die Wahrheit ist, daß die diplomatischen Geschenke, die bei einer offiziellen Audienz üblich waren, noch nicht aus Moskau eingetroffen waren. Der Zar wollte aber nicht warten und suchte so schnell wie möglich ein Zusammentreffen in privater Audienz. Seinen Wunsch, den Kaiser „inkognito“ zu treffen, äußerte er vor dem kai­serlichen Kämmerer und böhmischen Vizekanzler Thomas Grafen Czernin. „Hierauff ist Von Ihro Kays/Mayst resolviert worden, daß graff Tschernin mit sei­nem aigenen Wagen den Czaar in die Favorita durch den Renplaz und den gang, wo die Pomeranzen Bäume stehen und durch die Thür, welche auff die Schnecken ge­het, in die Galleria welche 9. Fenster auff jeder seithen hat, führen solle.“9 Nach den Eintragungen in den sogenannten Älteren Zeremonialakten und in den Zeremonialproto- kollen fand die erste Begegnung zwischen dem Zaren und dem Kaiser am 29. Juni 1698, um halb 6 Uhr, in der Sommerresidenz Favorita statt. Der Kaiser empfing ihn im Beisein des Obersthof­meisters Ferdinand Fürsten Dietrichstein, des Oberstkanzlers Grafen Franz Ulrich Kinsky, des Obersthofmarschalls Heinrich Grafen Mansfeld, Fürst zu Fundi und des Gardehauptmanns Fürsten Montecuccoli. Der Zar war von dem ersten Ablegaten Admiral und General Franz Lefort und drei weiteren Gesandten begleitet. 7 R. Wittram, Peter I., S. 161. * R. Massie, Peter der Große, S. 195. 9 HHStA, Zeremonialprotokoll, Bd. 5, fol. 421v.

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