Österreich und das Heilige Römische Reich
INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648
ÖSTERREICH UND DAS HEILIGE RÖMISCHE REICH DEUTSCHER NATION NACH 1648 Karl Otmar von Aretin Nach Ansicht der Historiographie des 19. Jahrhunderts stellte der Westfälische Friede einen Tiefpunkt in der Geschichte der Römischen Kaiser dar2. Als die Vertragsinstrumente in Münster unterschrieben wurden, war der Kaiser militärisch besiegt. Seine Rechte sah man in einer Weise beschränkt, die Gustav Droysen zu der Überzeugung brachte, das Heilige Römische Reich deutscher Nation habe 1648 zu existieren aufgehört3. Im Dreißigjährigen Krieg und in den ersten Jahren nach dem Westfälischen Frieden erschienen so viele Schmähartikel gegen das Haus Habsburg, dass es nicht verwunderlich gewesen wäre, wenn die Kaiserwürde auf eine andere Dynastie übergegangen wäre4. Aber weder im Frieden noch in den ersten Jahren danach war die Idee, Kaiser Ferdinand III. abzusetzen, ernsthaft erwogen worden. Seine Politik wurde aber mit Argusaugen dahin beobachtet, wie er sich zu den Bedingungen des Westfälischen Friedens verhalten würde. Würde er die Beschränkungen seiner Macht hinnehmen oder würde er versuchen, den Frieden zu seinen Gunsten zu revidieren. Um das zu verhindern, hatten die Siegermächte Frankreich und Schweden den Frieden garantiert. Es blieb zwar unklar, was diese Garantie konkret bedeutete, aber eine von Ferdinand III. angestrebte Revision des Friedens hätte mit Sicherheit eine Reaktion der Garantiemächte herausgefordert. Aber Ferdinand dachte nicht daran. Er ließ, als der erste Reichstag nach dem Frieden 1653 in Regensburg zusammentrat, den Text des Friedens mit allen seinen Paragraphen in den Reichsabschied aufnehmen und damit zu einem Teil der Reichsverfassung machen. Er blieb auch bei dieser Haltung, als 1649 die französische Monarchie durch den Frondeaufstand (1649-1653) in eine schwere Existenzkrise geriet. Der spanische Vetter Philipp IV. drängte ihn, den Kampf wieder aufzunehmen. Aber Ferdinand versagte sich, wohl wissend, dass er mit einer Entscheidung für einen Krieg sein Kaisertum aufs Spiel setzen würde. Die 158 7 Die vorgetragenen Gedanken sind die Quintessenz meiner vierbändigen Darstellung „Das Alte Reich 1648-1806“, Stuttgart 1993-2000. Auf dieses Werk sei allgemein verwiesen. 3 Droysen , Gustav: Geschichte der preußischen Politik. Teil 3 Abt. 1, 1861, S. 338 f. 4 Der härteste Angriff auf das habsburgische Kaisertum ging von Borislaw von Chemnitz und seinem unter dem Pseudonym Hippolithus a Lapide zwischen 1640 und 1647 erschienen Schrift Dissertatio de ratione status in Imperio nostro Romano-Germanico aus. 7