Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 25. (Budapest, 2007)
Ágnes PRÉKOPA: Die Anfänge der Disziplin Geschichte des Kunstgewerbes und die Geschmacksbildung
Würzburg aus dem 11. Jahrhundert. In der Gruppe Undankbare und zurückgesetzte Techniken liest man über Eisenschnittarbeiten, Zwischengoldglas und Reliefintarsien von Eger (Cheb) aus dem 17. Jahrhundert. Unter dem Stichwort Naivitäten erscheinen auch anachronistische Details oder kompositioneile Ungeschicklichkeiten von einigen ausgewählten Denkmälern der Geschichte der Malerei. In der Reihe der Phantasiegebilde als Bravurformen wird neben Spiralflaschen - spiralig gedrehten Gefäßen aus Zinn, Elfenbein, Majolika und Buchsbaumholz - auch ein Denkmal der Architektur der Französischen Revolution, der Entwurf des kugelförmigen Hauses von Antoine- Laurent-Thomas Vaudoyer angeführt. Unter Symmetrie und Gleichgewicht werden unter anderem das Schiff der Klosterkirche von Abb. 8. Moderne Steingutvase mit Hammerschlagschmuck. Stuttgart, Landesgewerbemuseum (Bildbeschriftung der Abb. 55., Pazaurek 1912) Schönthal mit zwei gleichen Kanzeln und die Kirche von Neresheim vorgestellt, in letzterer gibt es als kompositionelles Gegenstück zur Kanzel eine Statuengruppe, bekrönt durch eine Schalldecke. Die Beispiele der Dekorübergriffe sind eine Alt- Wiener Porzellantasse mit Marmorierung, oder ein Nymphenburger Porzellantablett mit Holzmaserung (Trompe-Poeil-Malerei), das sich als eine mit Kupferstichen vollgesteckte Holzplatte verkleidet. Diese Aufzählung könnte noch beliebig fortgesetzt werden. Pazaurek bringt zahlreiche Gesichtspunkte ins Spiel, die zum Weiterdenken anregten: Er lenkte zum Beispiel die Aufmerksamkeit auf die Gegenstände, die für die Kunstgewerbeausstellungen und die Weltausstellungen geschaffen wurden und nur mit Superlativen beschrieben werden konnten, wie die monumentalen Skulpturen aus den unterschiedlichsten Materialien: von der Weltausstellung von St. Louis von 1904 zum Beispiel den Stolz der Baumwollproduzenten, die 50 Fuß hohe, King Cotton genannte Figur aus Baumwolle, die aus Mais und Erdnüssen errichteten Pavillons und den Elefanten aus Walnüssen - wie dies im Unterkapitel Ausstellungs-Pimpeleien nachzulesen ist.16 Seinem strengen Blick ist selbst in der Entwurfsarbeit von Gottfried Semper ein Detail, das den Forderungen der Materialge- rechtigkeit widerspricht, nicht entgangen: die Gemmenimitationen aus Porzellan an der Prunkvase für die Londoner Weltausstellung von 1851.17 Die Rezeption der Stuttgarter Ausstellung von 1909 und des Buches von 1912 in Ungarn beschränkte sich auf einige Berichte in der Fachpresse: Im Jahrgang 1909 von Magyar Iparművészet [Ungarisches Kunstgewerbe] besprach Gábor Szentiványi die Konzeption der Ausstellung unter Anführung von konkreten Beispielen. Er hat auch darauf 153