Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 25. (Budapest, 2007)
Ágnes PRÉKOPA: Die Anfänge der Disziplin Geschichte des Kunstgewerbes und die Geschmacksbildung
Abb. 7. Neues Bronzetintenzeug, „assyrisch”. Stuttgart, Landesgewerbemuseum (Bildbeschriftung der Abb. 255., Pazaurek 1912) logischen Kriterien des Geschmacks gliedert er die Objekte in drei Gruppen aufgrund der Fehler der Materialverwendung, der Funktion und der Dekoration. Innerhalb der Gruppen bringt er zur Veranschaulichung eines Systems, das er nach den Merkmalen der Objekte aufstellt, äußerst frappante Beispiele. Unter den Materialproblemen werden die bei der Ausführung entstandenen Fehler oder die schlechten Materialverbindungen, die wunderlichen Materialien vom Schmetterlingsflügel bis zum menschlichen Haar sowie nach unterschiedlichen Gesichtspunkten weiter gegliederte Surrogate angeführt. In der Reihe der Funktionsprobleme finden wir die verfehlten Konstruktionen, die schlechten Proportionen, die anspruchslos gebastelten Gegenstände, die einfachen Lösungen als Ersatz der komplizierten Technik. Zu den Problemen der Dekoration gehören die Dekorbrutalitäten, die schlecht angeordnete Dekoration und der anachronistisch anmutende Motivgebrauch, dabei auch die überhäufte Oberfläche genauso wie der übertriebene Puritanismus. Pazaurek gliedert selbst die Fehler der Einsetzung von Farben nach Typen auf. Dem Kitsch im eigentlichen Sinne des Wortes widmet er nur ein sehr kurzes Kapitel, darin wird aber zwischen Hurrakitsch, Devotionalienkitsch, Fremdenartikelkitsch, Geschenkkitsch, Vereinskitsch und Aktualitätskitsch unterschieden - und all das durchwegs in einem individuellen, mitreißenden, absichtlich gewählten leichten Plauderton. Beim Durchblättem des Buches überzeugt das sorgfältig ausgewählte Bildermaterial den Interessenten davon, daß er ein wirklich außerordentliches Buch in den Händen hält. Wir wollen nur einige bezeichnende Beispiele der reproduzierten Gegenstände in der Reihenfolge der Stichworte anführen: Für Wunderliche Materiale steht das Interieur der Friedhofskapelle, der „Knochenkapelle“, von Sedletz mit dem hauptsächlich aus Schädeln und Beinknochen komponierten Schwarzenberg-Wappen, der Thron von Schloß Rosenborg von 1671 aus Elfenbein und Narvalhorn, oder das Biedermeierbild aus Fischschuppen, das einen Blumenkorb darstellt. Im Kapitel Vergewaltigung des Materials reihen sich römische Diatretgläser, Koepping-Gläser und Barockmöbel, ausgelegt mit venezianischen Spiegeln mit geschliffenem Dekor. Unter dem Stichwort Matenalübergrijfe finden wir geflochtene Körbchen, ausgeführt in unterschiedlichen Techniken von Keramik, gußeiserne Panzerschränke vom ausgehenden 19. Jahrhundert, die geschnitztes Renaissancemöbel nachahmen, mit Gold bemalte böhmische Hyalith- gläser vom Beginn des 19. Jahrhunderts, angeregt durch chinesische Lackarbeiten, als Jaquard-Gewebe ausgeführte Bilder, die Kupferstiche imitieren. Wir erfahren, daß der Römer keineswegs ein bezeichnender Objekttyp der Glaskunst ist, weil Pazaurek auch dessen Varianten aus Silber, Gold (!) und Porzellan aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorstellt. In der Beispielsammlung Funktionelle Lügen findet sich eines der ältesten Denkmäler, eine verknotete Säule aus dem früheren Kiliansdom von 152