Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 25. (Budapest, 2007)

Ágnes PRÉKOPA: Die Anfänge der Disziplin Geschichte des Kunstgewerbes und die Geschmacksbildung

ist durch theoretische, vielfach durch didak­tische Schriften dokumentiert, und derselbe Prozeß führte im weiteren auch zur Her­ausgabe von Ornamentsammlungen be­ziehungsweise von darauf aufbauenden stilgeschichtlichen Arbeiten.1 Die Definition und die Zusammenfassung der Kriterien des Geschmacks waren aber in den Handbüchern vom Beginn des 20. Jahr­hunderts nicht mehr enthalten. Diesen wurde eines der beiden überkommenen Ordnungs­prinzipien zugrundegelegt: entweder die Chronologie oder eine Anordnung nach Gattungen (und Zünften). Diese Bücher wandten sich an das Publikum mit geschul­tem Geschmack und Kunstverständnis, die Verfasser waren bemüht, die qualitätvollsten Stücke des bekannten Bestandes um Meisternamen und Künstlerkreisen zu grup­pieren. Geschmacksbildung war das vorder­gründige Ziel der populärwissenschaftlichen Arbeiten für ein breiteres Publikum. Beispiele für eine solche Konzeption sind vor allem Veröffentlichungen aus den Jahrzehnten um die Wende vom 19. zum 20 Jahrhundert. Diese Bücher näherten sich ihrem Thema meist aus der negativen Richtung: Durch die Aufzählung extremer Gegenbeispiele ver­suchte man dem Leser guten Geschmack beizubringen und ihn so vom Kitsch fern­zuhalten, wobei die historische Darstellung der Objekte oft zu allgemein oder gar ober­flächlich ausfiel, wenn die Autoren im Interesse der Allgemeinverständlichkeit dem Niveau Geständnisse machten. Die Institution Nummer eins der Ge­schmacksbildung war in Ungarn das König­liche Ungarische Kunstgewerbemuseum mit seiner Kunstgewerbeschule. Neben der aus­gestellten Sammlung, der Fachbibliothek mit einer beachtlichen Sammlung an Muster­blättern und der Unterrichtstätigkeit befaßte sich diese Institution auch mit der Organi­sation von populärwissenschaftlichen Vor­trägen, deren Texte in Heften herausgegeben wurden. Direktor Jenö Radisics schlug Jözsef Keszler (1846-1927) ein Thema vor, das aus­drücklich in den Bereich der Geschmacks­bildung gehörte: Der Vortrag Unmöglichkeiten im Kunstgewerbe behandelte das Verhältnis von Matenal und Form - also mit einem späteren Ausdruck die Kriterien der Material­gerechtigkeit, sowie die Zusammenhänge dieser beiden mit der Bestimmung des Gegenstandes - also die Funktionalität.2 Der Vortrag Keszlers nimmt in vielen Dingen die Topoi späterer Jahrzehnte über den Kitsch vorweg, unter anderem auch dadurch, daß er das Aufkommen der „mißlungenen“ Objekte auf das 19. Jahrhundert, bzw. auf die Zeit nach 1820 beschränkt.3 Unter den Ge­Abb. 1. Gotische Wanddekoration mit geschliffenen böhmischen Halbedelsteinen. Prag, St.-Veits-Dom, Wenzelkapelle (Bildbeschriftung der Farbentafel II., Pazaurek 1912) 148

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