Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 24. (Budapest, 2006)
Orsolya BUBRYÁK: Inter arma silent Musae - „Geheimnisse" eines Brettspiels aus dem 17. Jahrhundert
Lorbeerkranz umgebene Zeilen, diesmal in Italienisch. Auf der Seite des Damespiels: Freggi aduna e á lui dispone II Favorevole la sorte II Ma virtute al prode al forte II Di trofei lauri e corone (Wer für den Krieg geschaffen, ergreife die vom Schicksal dargebotene Waffe, Kraft und Mut seien seine Tugenden, im Tausch dafür bekommt er Lorbeer und Krone). Auf der Seite des Mühlespiels: Or a pace ed ora guerra II Giuoca il fato su la terra II Variamén te có i mortali II Maneggiando or beni or mali (Mai Friede, mal Krieg, Die Welt ist in der Hand des blinden Schicksals, Es kann den Sterblichen Gutes, aber auch Schlechtes bringen). Auf der Seite mit dem Puff-Pasch-Spiel sind keine italienischen Inschriften, aber hier setzt sich auf dem gewundenen Band um die beiden Embleme herum der lateinische Vers fort. Bei der Szene mit den beiden kämpfenden Vögeln: Animo et viribus II Hanc victricem Aquilam cernens Triumphum De Victris Turcis Sacra M usa can it II Odrysias depasta Feras Calvari ad culmina Christum (?) déferai geminet Splendida templa Deo (Beim Anblick des siegreichen Adlers singt die heilige Muse Dir von Mut und Kraft, erfreut über den geschlagenen Türken. Die Wilden des Odyris auf den Golgatha Christi jagend, verdoppeln sich die leuchtenden Kirchen des Herrn). Bei dem Bild mit dem seine Jungen fütternden Adler: Par numero virtus II Par numero virtus Volucres de cedite campo et decus et vires una Tonantis habet. II Quo Plures hostes Celo curante Triumphos Plures istaferet Sceptra plura dabit (Die Virtus besiegt ihre Vielzahl, eure Vielzahl besiegt die Virtus, weg vom Schlachtfeld, ihr Licht und ihre Kraft sind so stark wie der Donner des Jupiters. Je mehr Feinde, um so größer der Triumph vom Himmel, der viele fürstliche Zepter verteilt). Die zitierten Verszeilen bekräftigen die gemeinsam durch die Kriegstrophäen und Embleme aufgeworfene Vorstellung, dass der Eigentümer dieses Brettspieles ein Feldherr gewesen sein kann. Sie lassen nicht nur ahnen, dass der einstige Besitzer dieses Kunstwerkes aus Textil eine führende Persönlichkeit im Krieg gegen die Türken war, sondern beinhalten auch einen Hinweis darauf, dass das Brettspiel nach einer Schlacht von entscheidendem Erfolg in dem langandauernden türkischen Krieg angefertigt worden sein kann. Das wird überzeugend durch die folgenden zwei Teile der Inschriften untermauert: Die heilige Muse des Gesanges lässt nunmehr den Triumph über die geschlagenen Türken erklingen (De Victris Turcis Sacra Musa canif), der einst für unbesiegbar gehaltene Feind hat die Flucht ergriffen. In diesem Vers wird der „Hauptheld" als Verteidiger des Christentums dargestellt, vor dem sich der Feind (der Türke) nicht mehr verstecken kann. Auch verbal ist formuliert, worauf die Embleme durch visuellen Mitteln der darstellenden Kunst bereits hinweisen: Der Adler siegt über alle Feinde, zu Lande und auch zu Wasser - das heißt, auf martialischer Weise ausgedrückt, „an allen Fronten" - erringt er den Sieg. Zur genaueren Bestimmung des angenommenen Feldherm oder Herrschers müsste man in erster Linie wissen, den Triumph welchen Schlachtensieges im Kampf gegen die Türken das Gedicht besingt, darauf allerdings kann man aus dem Text nichts folgern. Die einzelnen Verszeilen beinhalten keinen einzigen konkreten Hinweis auf die Identität des Siegers und den Schauplatz der Schlacht. Dementsprechend könnte man die zitierten Zeilen mit fast jedem größeren, in Europa Widerhall findenden Sieg der anderthalb Jahrhunderte dauernden Kriege gegen die Türken in Verbindung bringen, angefangen mit der Schlacht von Lepanto (7. Oktober 1571) über einige Siege des fünfzehnjährigen Krieges, des erfolgreichen Winterfeldzuges Nikolaus Zrinyis, dann der unter Führung von Raimondo Montecuccoli ausgetragenen Schlacht von Szentgotthárd (1664) bis zu dem Ruhm der zum Entsatz von Wien herbeieilenden Truppen (12. September 1686) oder der Rückeroberung Ofens durch die Heilige Liga (2. September 1686). Man könnte die Aufzählung aber noch bis zu den Kämpfen zu Beginn des 18. Jahrhunderts fortsetzen, denn Europa und die christliche Welt konnte erst dann tatsächlich aufatmen, als die ein halbes Jahrhundert anhaltende türkische Gefahr gedämmt und die Grenzen des osmanischen Reiches bis auf den Balkan zurückgedrängt