Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 24. (Budapest, 2006)
Orsolya BUBRYÁK: Inter arma silent Musae - „Geheimnisse" eines Brettspiels aus dem 17. Jahrhundert
waren (Peterwardein [Pétervárad, heute serb.: Petrovaradin], 5. August 1716, Belgrad, 16. August 1717). Wenn man all dies berücksichtigt, wäre es eine schwierige Aufgabe, all die Herrscher und Heerführer, die als möglicher Auftraggeber in Frage kämen, aufzuzählen. Aber nehmen wir an - und das vorerst nur als eine Art vorherige „Arbeitshypothese" - , dass die das Brettspiel anfertigenden Personen die Vertreibung des osmanischen Heeres, das Bild vom „flüchtenden Feind" nicht als einen Jahrhunderte lang gehegten Wunsch, sondern im wahrsten Sinne des Wortes - als bereits erreichtes Ziel darstellen. In diesem Fall müssen wir unsere Aufmerksamkeit nur auf eine anderthalb Jahrzehnte dauernde Zeitspanne (1683-1699), in die Jahre von der Befreiung Wiens bis zum Friede von Karlowitz (Karlóca, heute kroat.: Karlovac) richten. Zu dieser Zeit konnte das christliche Europa nach den früheren kleineren oder größeren Erfolgen in den Kämpfen gegen die Türken erstmals mit einer tatsächlichen Wende rechnen. Das osmanische Heer wurde Schritt für Schritt zuerst vom Territorium der österreichisch-ungarischen Monarchie und dann auch vom Balkan vertrieben. Natürlich verringerte sich damit noch nicht bedeutend die Zahl der die siegreichen Schlachten austragenden Heerführer dieser Periode. Und doch lohnt es sich, ohne auf weitreichende Hypothesen einzugehen, eine schnelle „Heerschau" vorzunehmen. Die bedeutendsten Schlachten der gegebenen Zeitspanne können an die Namen folgender Personen geknüpft werden: Karl von Lothringen, Johann III. Sobieski, Maximilian Emmanuel II., Kurfürst von Bayern, Enea Silvio Caprara, Ludwig Wilhelm, Markgraf von Baden und letztendlich an den Feldherrn der letzten großen Schlacht dieser Zeit, dem legendären Helden der Schlacht von Senta (Zenta, heute serb.: Senta), Prinz Eugen von Savoyen. Musen Das Porträt des vermuteten Feldherrn ohne Namen gestaltet sich durch die beiden anderen Seiten des Brettspiels, auf denen Puff-Pasch gespielt werden kann, nuancierter. Denn auf dem reich mit Pflanzenornamenten verzierten Rahmen des Puff-Pasch-Spieles sind auch noch die neun Musen dargestellt (Abb. 13-15). Dadurch wurde in das ikonographische Programm des Brettspiels - neben der bereits angeführten Parallele Herakles - Jupiter - noch eine dritte Gottheit, nämlich Apollo, in den Kreis der Interpretierung mit eingeschlossen, denn sein Gesang ist es, der gewöhnlich den Chor der Musen begleitet. Durch die Apollodarstellung steigt der unbekannte Feldherr in den Kreis der Förderer von Kultur, Musik und Künste auf. Aber auch mit Herakles kann die Gestalt der Musen in Zusammenhang gebracht werden. Denn die Vorstellung Herkules musagetes, durch welche die Verbindung zwischen den Musen und Herakles reflektiert wird, ist in der darstellenden Kunst seit der Antike nachweisbar, seine Darstellung in der bildenden Kunst ist auch von antiken Münzen und aus Emblembüchern bekannt. So kommt er zum Beispiel im ersten Band des Emblembuches von Nikolaus Reusner mit der Inschrift Virtutis comes gloria (Nr. 3) vor. Seiner Subskription nach wurden in Griechenland die Musen und Herakles einst in ein und demselben Tempel verehrt, da man in erster Linie die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang zwischen den Heldentaten und den Heldengesängen lenken wollte. 21 Den Triumph des am Altar der Musen opfernden Helden (des großzügigen Mäzens) besingen die Musen und verewigen damit seine glorreichen Taten. Weder in der Darstellung der Musen noch ihrer Attribute hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine „kanonische" Variante herausgebildet. 22 Oftmals erhielten sie eine grundlegend voneinander abweichende Interpretierung, und dementsprechend sind sie häufig mit den unterschiedlichsten Attributen dargestellt. Es kommt auch vor, dass ihre Attribute untereinander vertauscht sind, genauso wie sie auch nur eine einzige, gemeinsame Funktion ausüben. Dabei wurde absolut keine Individualität der Musen angestrebt, und sie sind entweder ohne Attribut oder mit den gleichen Attributen dargestellt (wie zum Beispiel alle neun Musen mit irgendeinem Musikinstrument). Gerade darum kann eine Untersuchung der Musen (und ihrer Attri-