Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 24. (Budapest, 2006)

Orsolya BUBRYÁK: Inter arma silent Musae - „Geheimnisse" eines Brettspiels aus dem 17. Jahrhundert

ORSOLYA BUBRYAK INTER ARMA SILENT MUSAE - „GEHEIMNISSE" EINES BRETTSPIELS AUS DEM 17. JAHRHUNDERT Im Jahre 1877 gelangte - neben zahlreichen herausragend wertvollen Kunstgegenständen ­ein meisterhaft geformtes kleines Brettspiel 1 aus der Sammlung des Ungarischen National­museums in das Kunstgewerbemuseum Buda­pest. Dieses in Nadelmalereitechnik angefer­tigte kleine Brettspiel, das auf beiden Seiten mit Gold- und Silberfadenstickerei verziert ist, blieb unter den anderen prachtvollen, vergolde­ten Silbergegenständen des Goldschmiede­handwerks, den Elfenbeinschnitzereien und anderen Meisterwerken aus Textil praktisch unbemerkt. Obwohl es 1860 bereits einmal im Buch von László Kővári über das Fami­lienleben, die Traditionen und die Trachten des alten Ungarns erwähnt worden war, 2 vergingen, nachdem es ins Kunstgewerbemuseum gelangt war, Jahrzehnte, ohne dass es auf irgendeiner Ausstellung zu sehen gewesen oder in einer Veröffentlichung erwähnt worden wäre. Erst in den 1980er Jahren tauchte es wieder in den Katalogen verschiedener Ausstellungen auf, 3 und obwohl es vor anderthalb Jahrzehnten restauriert wurde, 4 ist es in Fachkreisen kaum bekannt. Einer der möglichen Gründe dafür kann das Geheimnisvolle sein, das dieses kleine Brettspiel umgibt; denn es ist nicht bekannt, von wo und von wem es stammt und wer es in Auftrag gegeben hat, wenn auch seine außerordentlich verfeinerte Gestaltung auf einen Auftraggeber in fürstlichem Rang deutet. Auch das auf inventiöse und umsichtige Art zu­sammengestellte ikonographische Programm läßt darauf denken, dass es einst die Schatz­kammer einer bedeutenden historischen Per­sönlichkeit bereichert hat. Auftau und Anordnung des auseinander­klappbaren Brettspiels, das aus einer Holzplatte besteht, auf die Seidenrips gespannt ist, können als traditionell bezeichnet werden. Auf den einzelnen Seiten sind verschiedene Gesell­schaftsspiele: auf den äußeren Seiten - wie gewohnt - Dame (oder Schach) und Mühle (Abb. 1), auf den inneren Seiten Puff-Pasclf (Abb. 2). Die zu dem Spiel gehörenden Steine existieren leider nicht mehr. So ein Brettspiel bildete in Ungarn jahrhun­dertelang einen grundlegenden Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens und war in fast jedem Haushalt vorhanden, selbstverständlich in weitaus bescheidenerer Ausführung als dieses hier. Nicht selten kommen aus dem Besitz einzelner Aristokratenfamilien ähnlich repräsentative Stücke zum Vorschein, wie zum Beispiel das gravierte Brettspiel mit Elfen­beineinlage in der Burg Forchtenstein der Familie Esterházy 6 oder das aus der Sammlung der Familie Bethlen (Prónay) stammende Brett­spiel, das heute Eigentum des Ungarischen Nationalmuseums ist, 7 aber auch im Kunst­gewerbemuseum, Budapest befinden sich noch weitere Exemplare ähnlich eleganter Aus­führung. 8 Die Brettspiele, die für vornehme Auftraggeber angefertigt wurden, waren in der Regel reich verziert, dem Geist des Spieles entsprechend mit „Schlachtenszenen", meis­tens durch Embleme oder ähnliche Kompo­sitionen ausgedrückt. Die Szenen stellen Kämpfe aus der Mythologie (zum Beispiel die Taten des Herakles) oder auch tatsächlich stattgefundene Schlachten dar, für letztere dienten sehr häufig die aus Anlass von

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