Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 22. (Budapest, 2003)

Éva CSEREY: Nachahmungen von Nürnberger Renaissanceofenkacheln

Die Stadt Nürnberg war - mit ihrer be­rühmten Burg, ihren bedeutenden Kunstdenk­mälern, altehrwürdigen Bürgerhäusern und reichen Kunstsammlungen - ein beliebter Be­suchs- und Wohnort für Künstler und Kunst­sachverständige. Die Metropole des Franken­landes wurde verständlicherweise auch von vielen Besuchern aus Ungarn aufgesucht, so unter anderen von dem berühmten Maler dieser Zeit, einem Gründungsmitglied der Szinyei­Gesellschaft, Gusztáv Magyar Mannheimer (1859 - 1937). Zur Zeit seines Aufenthaltes in Nürnberg kaufte er im Frühjahr des Jahres 1910 figurale Kacheln von einem grünen Kachelofen aus dem 17. Jahrhundert, um diese dem Kunst­gewerbemuseum in Budapest als Geschenk zu überlassen. 7 Den Angaben des damaligen Inventarverzeichnisses zufolge bestand das Geschenk aus sieben großen und vier kleineren Ofenkacheln. Erstere sind mit Szenen aus dem Leben Jesu bzw. mit allegorischen Darstel­lungen verziert. 8 Die stark profilierten Rahmen der die Grablegung und Auferstehung Christi darstel­lenden Reliefofenkacheln sind aus identischen Motiven aufgebaut (Abb. 1 und 2). Die mit einer weiblichen und einer männlichen Herme verzierten Pilaster des inneren Rahmens sind halbkreisförmig abgeschlossen. Die zu beiden Seiten auf den Kapitellen der Pilaster stehenden beflügelten Engel halten in ihrer erhobenen Rechten bzw. Linken eine leicht herabfallende Draperie. In der Mitte des Sockelfrieses wiederholen sich in Kartuschen eingefaßte Rollwerkmotive, an den Seiten jeweils ein weiblicher Kopf mit Jungfernkranz. Das den Ausgang der Leidensgeschichte darstellende Relief zeigt zeitlich zwei aufeinander folgende Szenen. 9 Im Hintergrund das Golgatha-Bild, in der Mitte Christus mit dem Kreuz, links und rechts davon die Schächergestalten am Kreuz. Im Mittelpunkt steht die Beweinung des vom Kreuze abgenommenen Körpers Christi; die Gruppe der Beweinenden besteht aus Maria, Maria Magdalena sowie Joseph von Aritmathia und zwei Aposteln. Im Vordergrund unten ist die Szene der Grablegung, die dem tradi­tionellen Typus der Darstellung im 16. Jahrhundert folgt. Auf dem die Auferstehung darstellenden Relief nimmt die Szene die gesamte - halbkreisförmig abgeschlossenen ­Bildfläche ein. Christus, auf der Grabplatte ste­hend, hat seine Rechte segnend erhoben, in der Linken hält er das Labarum, im Vordergrund die erschrockenen, entsetzten Gestalten der bei­den Soldaten, die das Grab bewachen. 10 Diese beiden Stücke gehören zu der Serie der sogenannten Passionsszenen. Irgendwo in einer der großen Empfangsräumlichkeiten der Burg von Nürnberg stand einst ein Ofen aus Kacheln mit derartigen Passionsszenen. Der Meister, der die einzelnen Darstellungen modellierte, ist dem Namen nach bekannt: Er ist einer der gut bekannten Keramiker dieser Periode, Georg II. Vest ( 1574 - nach 1619), er lebte seit dem Jahre 1607 in der Stadt und war in der berühmten Werkstatt Leupold tätig". Er hat nämlich das Modell eines Stückes dieser Serie - Christus auf dem Ölberg - mit seiner Signatur und der Jahreszahl 1607 versehen. Zweifellos übte die bildende Kunst dieser Zeit eine große Wirkung auf ihn aus. In seinen Arbeiten ist hauptsächlich die Wirkung der hervorragenden Gestalt der deutschen Renaissance - des in dieser Stadt geborenen und selbstbewußten Bürgers -, Albrecht Dürer, zu spüren. In erster Linie sind es einige Blätter jener Holzschnittserie, die unter dem Titel „Große Passion" bekannt geworden ist, die von diesem Gesichtspunkt aus von Bedeutung sind. Die bereits erwähnte Ofenkachel mit der „Grablegung Christi" sowie der „Auferstehung" können als ziemlich genaue Übernahme der entsprechenden Kom­position von Dürer betrachtet werden.' 2 Als charakteristische Ausführung wird die Rahmendekoration der beiden erwähnten Ofen­kacheln eingestuft, die auch an anderen Werken mit allegorischen Darstellungen von Georg Vest vorkommt. Eine derartige Rahmenver­zierung ist zum Beispiel an der Ofenkachel auf der eine der christlichen Tugenden, die Pruden­tia (Klugheit),' 3 dargestellt ist (Abb. 3). Die schlanke, langgestreckte allegorische Frauen­gestalt erinnert stark an eine frühere Arbeit von Georg Vest, an das im Jahre 1599 geformte Modell mit Darstellung der Fides (Glaube). 14

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