Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 21. (Budapest, 2002)

Réka SEMSEY: Eine bislang unbekannte Arbeit von Wilhelm Jakob Seberth in Ungarn. Die Meßkleidgarnitur von Erzbischof József Batthyány in der Schatzkammer der Erzdiözese von Kalocsa

berth betonte überall, wo er sich genannt hat, daß er ein Priester war. Er signierte seine Arbei­ten nie als Stickermeister. Die Kasel von Kalo­csa hat eine auch für Laien verständliche bildli­che Aussage, berücksichtigt man aber auch die ergänzenden Bilder und die Inschriften, so erschließt sich eine zweite Bedeutungsschicht, die fast nur für den gelehrten Priester erkennbar und begreifbar war, der das Meßopfer dar­brachte. Die Inschriften der Stola, der Bursa und des Manipels richteten sich gewiß nur an den Priester, er war es ja allein, der sie anläßlich der Messe sah. Die Erschließung des Prog­ramms der Kasel von Kalocsa beruht mangels Schriftdokumente nur auf der Analyse der Dar­stellungen und der Inschriften. Seberths Figurenkompositionen umfassen vielerlei Elemente, Vorbilder, Ideen, von den Altarkompositionen bis zu den kleinen And­achtsbildern. Zu ihrer Analyse und Interpre­tation sind die Kenntnis mehrerer Methoden und deren gemeinsame Anwendung vonnöten. Die Erschließung komplizierterer Bedeutungs­schichten ist über die Einsetzung des Instru­mentariums der Kunstgeschichte hinaus durch die Berücksichtigung der Gesichtspunkte der sakralen Volkskunde und der Theologie mög­lich. 80 Ein weiteres Problem rührt daher, daß die Bearbeitung der Meßgewänder in Ungarn noch aussteht. Weder über die Paramente in Kirchen­schätzen noch über die Bestände in den Museen sind bisher zusammenfassende Werke erschie­nen. Unter diesen Umständen ist es auch nicht auszuschließen, daß sich in Ungarn noch weite­re Werke Seeberths befinden. In seiner Person haben wir es mit einem hochgebildeten Priester zu tun, bei dem auch die Vermutung ausgespro­chen werden darf, daß er keine konkreten gra­phischen Vorlagen benutzte, sondern die Kom­positionen seiner Meßgewänder aus eigener Invention selbst erarbeitete. ANMERKUNGEN 1 Das Meßgewand und der Zubehör war in der von Kata­lin Dávid gestalteten früheren Dauerausstellung des Dom­schatzes von Kalocsa ausgestellt. Kurze Besprechung der Stücke ohne genaue Bezeichnung, in: Katalin Dávid: Kalocsai érseki Kincstár [Schatzkammer des Erzbistums Kalocsa]. Kalocsa 1990, Nr. 81. Die neue Ausstellung, ge­staltet von Judit Kolba, Annamária Németh und Andor Lakatos, wurde am 15. Mai 2002 eröffnet. Nach örtlicher Tradition konnte die Kasel und der Zubehör nur vom Erzbischof benutzt werden, und zwar zu Weihnachten, bei der Weihnachtsmette. Schriftliche Belege für diese Tradi­tion konnte ich bis jetzt nicht auffinden, aber das Gegen­stück dieses Meßgewandes in Würzburg wird ebenfalls Weihnachtskasel genannt. (Vgl. Frauke van der Wall: 100 Jahre Fränkischer Kunst- und Altertumsverein Würzburg. Würzburg 1993, (im weiteren van der Wall 1993] 50, Nr. 854.) Nach dem Liturgischen Farbenkanon knüpft sich die weiße Farbe im allgemeinen an die Feste des Herrn. (Vgl. R. Berger. Kleines liturgisches Lexikon. Freiburg-Basel-Wien 1987.) Laut Auskunft von Andor Lakatos ist ein genaues Inven­tarverzeichnis der Paramente der Sammlung von Kalocsa noch nicht erstellt, daher können zur Zeit mit der in das Futter eingenähten Zahl 188 keine archivalischen Angaben verbunden werden. 2 Franz Bock: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters. Bonn 1864; Joseph Braun SJ: Winke fur die Anfertigung und Verzierung der Paramente. Freiburg 1904: Joseph Braun SJ: Die liturgische Gewandung in Occident und Orient nach Ursprung und Entwicklung, Verwendung und Symbolik. Freiburg 1907; Joseph Braun SJ: Die liturgi­schen Paramente in Gegenwart und Vergangenheit. Frei­berg 2 1924; Dora Heinz: Der Paramentenschatz der Stadt­pfarrkirche in Linz. Wien 1962; Dora Heinz: Wiener Stickereien des 18. Jahrhunderts und ihre Vorlagen. In Alle und Moderne Kunst 177 (1981) 24-28; Ruth Grünwoldl: Stickereien der Vorzeit bis zur Gegenwart aus dem Besitz des Würtembergischen Landesmuseums Stuttgart und der Schlösser Ludwigsburg. München 1993; Leonie von Wil­ckens: Geschichte der deutschen Textilkunst vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart. München 1997; Karen Stoll­eis: Meßgewänder aus deutschen Kirchenschätzen vom Mit­telalter bis zur Gegenwart. Regensburg 2001. 3 Der ursprüngliche Grundstoff der Kasel könnte ein Produkt der zeitgenössischen Wiener Webermeister gewe­sen sein. Eine der beiden nahen Analogien - die Würzburger Weihnachtskascl oder das Meßgewand des Wiener Schot­tenstiftes, von denen noch zu sprechen sein wird - könnte noch Reste des originalen Grundstoffs bewahren. - Über die Wiener Seidenstoffe: Moriz Dreger: Beginn und Blüte der Wiener Seidenweberei. In Kunst und Kunsthandwerk 18 (1915) 325-400.

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