Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 19. (Budapest, 2000)

András SZILÁGYI: Aus dem Hradschin in Prag in die Burg von Forchtenstein. Über die Herkunft eines hervorragenden Prunkstückes der Esterházy-Sammlung

werke, der aus dem Jahr 1612 stammende Buckelpokal. 11 (Abb. 5-6.) Selbstverständlich taucht an diesem Punkt eine logische Frage auf: Ist es möglich, die Vorgeschichte dieser beiden Hauptwerke Petzolts zu rekonstruieren, genauer gesagt, gewisse Episode dieser Vorgeschichte zu beleuchten? Beschränken uns aber auf jene „Abzweigung" dieser Frage, die uns diesesmal am meisten beschäftigt: Können wir mit Sicherheit annehmen, dass eine dieser Goldschmiede­arbeiten, zumal der imposante Muschel­pokal schon bei Lebzeiten Kaiser Rudolfs II, d.h. vor 1612 sich in der weitberühmten Prager Kunstkammer befand? Angesichts der Tatsache, wonach das Stück laut einhelliger Meinung der Forscher in den 1580er Jahren entstand, scheint diese Voraussetzung überaus möglich zu sein. Doch es fragt sich, ob wir das auch zu beweisen vermögen? Nun, den unzwei­deutigen und überzeugenden Beweis liefert eine Angabe jenes Inventars, das in den letzten Jahren der Herrschaftszeit Rudolfs IL, im Zeitraum von 1607 bis 1611, an­gelegt worden ist. Die für uns ausschlag­gebende Stelle dieses Inventars lautet wie folgt: Des Bezolts von Nürnberg schon gross perlenmutterschneggengeschir in vergultem schwartzen futral, A(nno) 1609. [Zweiter der vier Gegenstände der mit dem Stichwort Geschirr von Perlenmutterschneggen ge­fasst bezeichneten Gruppe.]. 12 Jene Behauptung benötigt kaum eine sonderliche Beweisführung, wonach diese Stelle, bzw. die oben zitierte und mit dieser Stelle in auffallender Weise überein­stimmende Angabe des Rebelleninventars sich auf denselben Kunstgegenstand be­ziehen. Namentlich auf einen Muschelpokal von Hans Petzolt, und zwar auf jenes Exemplar, das später, in 1620, als diplo­matisches Geschenk in Besitz einer un­garischen Adelsfamilie gelangte und seitdem in Ungarn, zur Zeit in Budapest aufbewahrt wird. Bemerkenswert ist noch das letzte Wort der hier zitierten Angabe, das sich mit dem erhalten gebliebenen, von Leder be­deckten, schwarzen und teilvergoldeten Futteral des Budapester Stückes wohl vergleichen lässt. (Abb. 2, 4.) Doch über diese Evidenz hinaus, die von der fast iden­tischen Wortwahl in überzeugender Weise untermauert wird, enthält die Angabe zudem noch eine vielsagende Mitteilung. Nämlich eine Jahreszahl — 1609 —, die im textuellen Zusammenhang nur auf eine Weise aus­gelegt werden kann, indem sie jenen Zeit­punkt bezeichnet, als das Stück in die Schatzkammer von Prag, in die Sammlung Rudolfs II. gelangte. Aus dieser Tatsache ergibt sich indes eigentlich eine einzige, allerdings überaus wesentliche Folgerung: Es unterliegt näm­lich keinem Zweifel, dass nicht Rudolf II. der ursprüngliche, erste Besitzer gewesen ist. Mithin haben jene, die diesen Pokal in den 1580er Jahren anfertigen Hessen, das Werk nicht ihm, dem damaligen Herrscher des deutsch-römischen Reiches zugedacht. Zugleich leuchtet es ein, dass diese Angabe eine Anzahl weiterer Rätselfragen aufwirft. Die wichtigste unter ihnen ist: handelt es sich hierbei um ein Geschenk, oder um ein Objekt, das anderswie, über einen anderen Weg in die Sammlung gelangt war. Weiters: Wer hat die Herstellung des Gegenstandes in Auftrag gegeben, wer war, wer konnte der frühere Besitzer sein, war es eine Person, oder waren es mehrere? Zweifelsohne wer­den wir diese Fragen lediglich aufgrund eindeutiger Angaben beantworten können. Ziehen wir jedoch gewisse Fakten und mittelbare Angaben in Betracht, so lässt sich vielleicht eine Hypothese aufstellen, die imstande zu sein scheint, die Forscher zu weiteren Überlegungen anzuhalten. Im Lichte der neuesten Forschungen und unter Zuhilfenahme ihrer Ergebnisse kann festgestellt werden, dass im Jahr 1609, in diesem für uns wichtigen Jahr, durch interfamiliäre Schenkungen eine ziemlich

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