Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)

KISS, Ákos: Die Entwicklung der kunstgewerblichen Bewegungen und das Entstehen der Kunstgewerbemuseen

Die britische Sachlichkeit ist aber bei der blossen Anwendung nicht stehengeblieben. In 1754 wurde die Royal Society of Arts geschaffen, mit der Aufgabe die Künste und die damit zusammenhängenden Manufaktur- und Handelstätigkeiten zu unterstützen. Um für die mo­dern gewordene Bewegung erfahrene Meister auszubilden, wurde bereits in 1760 in Edin­burgh eine Gewerbeschule für den Unterricht im künstlerischen Zeichnen gegründet. Die­selbe legte grossen Wert auf die Kenntnis und Anwendung der Muster der mittelalterlichen Textilkultur.' Eine leitende Rolle in der zeitgenössischen Gotik spielte in England der Architekt A. N. W. Pugin, der ausserdem seine Ansichten bezüglich der künstlerischen Ansprüche seines Zeitalters auch bezüglich der gewerblichen Formen mit grosser Wirk­ungskraft zum Ausdruck brachte. Er hielt in erster Linie die Formen der englischen Gotik für den stil seines Zeitalters als geeignet, doch widerriet auch er die inventionslose Neuan­wendung der alten Muster. Seiner Ansicht nach müssen sich die moderne (d.h. gotische) Zier- und Baukunst, jedwede konstruktive Möglichkeit aus beutend, dem modernen Leben, also der Gegenwart anpassen. Pugin hat die gotischen Formen auch bei Gebrauchsgegen­ständen angewandt. Die literarische Romantik seines Zeitalters war auf ihn von grosser Wirkung, und dürfte er wohl als einer der ersten Ausgrabungen unternommen haben um mittelalterliche Dendkmäler zum Vorschein zu bringen.'' Dieser frühzeitige tonangebende Pionier der historischen Stile und des bewussten kunstgewerblichen Gedankens erinnert mit seinem stark sozialpolitischen Denken, mit seinen konventionswidrigen, tiefsinnigen sozialen Reformstrebungen an die spätere führende Persönlichkeit William Morris. Dieser Le Corbusier der frühen viktorianischen Epoche war jedoch — im Gegensatz zu Ruskin und Morris — noch kein Gegner der Maschinen, er hat in der Industrie noch keinen Feind der Künste befürchtet. Das britische Parlament schuf in 1836 einen Ausschuss „zur Über­prüfung der besten Gedanken, die zur Verbreitung der Kenntnis der Künste dienen"; in den Tätigkeitsbereich des Ausschusses gehörte unter anderen die Verbreitung der zier­künstlerischen Zeichnungen unter den Kleinhandwerkern der breiten Volksschichten. Zum Schutz der Patente künstlerischer Gewerbeformen — in erster Reihe der Gewebemuster — wurden in England erstmalig in den 1830-er Jahren Gesetze geschaffen. Der verborgene Beweggrund, der gegen Mitte des Jahrhunderts in den kunstgewerblichen Bewegungen ganz offen zum Vorschein gekommen ist, war schon damals die Aufrechterhaltung der Kon­kurrenzfähigkeit gegenüber den französischen Kunstgewerbeerzeugnissen. In 1837 wurde in England die „Normal School of Design" geschaffen unter der Leitung des bekannten Nazarenerkünstlers W. Dyce, dem von historisierendem Wissen durchdrungenen Fortschritt­romantiker, somit auch einem Pionier der zierkünstlerischen Hochkultur. Wie es auch aus Obigem hervorgeht datiert die Angelegenheit des Aufschwungs der Zier­künste — entgegen der allgemeinen Annahme — schon längst vor den grossen Bewegungen der Jahrhundertmitte. In dieser anfänglichen Periode der bewussteren gewerblichen Kunst, wie auch später während der Blütezeit des Historismus, war die gewerbliche Kunst — be­sonders in Deutschland — von der Architektur untrennbar. Der bei einer Restaurierung tä­tige Architekt kannte selbstverständlich die Gebäuden mit allen Komponenten, mit den einstmaligen Details von der inneren Dekoration bis zu den Metallbeschlägen, sowie den Tischler-, Fussboden- und Tapeziererarbeiten. Das Studieren dieser Einzelheiten hatte je­doch eher eine wissenschaftliche, historisierende, als eine künstlerische Anschauung zur Folge. Daher stammt jene gewisse Trockenheit, jene musterblattartige Bewusstheit der historisch-kunstgewerblichen Formen, die während des ganzen Verlaufs empfunden wer-

Next

/
Oldalképek
Tartalom