Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)

KISS, Ákos: Die Entwicklung der kunstgewerblichen Bewegungen und das Entstehen der Kunstgewerbemuseen

den können. Wie stark das Historikum und die gewerblichen Künste ineinander ver­schlungen erschienen sind, wird durch die prinzipiellen Ansichten und praktischen Aus­führungen der hervorragendsten Architekt-Dekorateuren der beregten Zeit bewiesen. Auf deutschem Boden wurde Gottfried Semper der Hauptprediger, der bereits — nach ernsten Prämissen — in 1852 in seinem Werk „Wissenschaft, Industrie und Kunst" die damaligen Bedingungen der kunstgewerblichen Tätigkeit zusammenfasste. Dieser Pionier der An­kündigung des nahezu als Gemeinplatz klingenden Prinzips vom Materieartigen der ge­werblichen Kunst propagierte als Erste die, im Laufe der Industrierevolution erschiene­nen, damals neuartigen Stoffe: Kautschuk und Guttapercha, wie auch das Galvanisierungs­verfahren und die Talbotypie. Wie eine Ouvertüre des Kunststoffzeitalters klingen Sempers vorhersagenden Sätze, die als eine Prophezeiung der stürmischen Entwicklung der mate­riellen Kultur des Menschen ertönen. Desgleichen verkündete er auch die durch die Me­chanisierung gebotene Möglichkeit in der Vervielfältigung von Zierelementen und Dekora­tionsgegenständen. Die Maschine spinnt und webt, malt und schneidet für uns auf eine Weise, die jede menschliche Geschicklichkeit beschämt — pflegte er zu sagen.'' Diese Bewegung, die Verwirklichung der Industrierevolution, führte zum Verschwinden der Töpfer, Weber und Goldschmiede, um durch die in dem im Rahmen des neuen Schul­ungssystems stets bessere Resultate erzielenden Unterrichtsanstalten geschulten Fachmän­ner und Formkünstler, mit ihren selbstbewussten Erzeugnissen, aus denen aber so oft die Invention fehlte, ersetzt zu werden. Semper war der Ansicht, dass die Grundlage jeder Reform seines Zeitalters aus der durch Erziehung bedingte Entwicklung des Geschmacks der Massen herrührt. Kunsthandwerken und sein Publikum studieren simultan die Muster­bücher der Fachliteratur. Die Grössten jedoch, und darunter gerade Semper, haben bald feststellen müssen, dass nach dem ohne Übergang erfolgten Untergang der jahrhunderte­langen Bearbeitungssystemen das Gewerbe mit dem damaligen Arbeitsmethoden die Herr­schaft über die Materialien schwer ergreifen kann. 1 ' Schinkel, der auf deutschem Boden auch auf dem Gebiete der gewerblichen Kunst viel schaffende grosse Künstler, erhoffte die Gestaltung dieser Formen durch die Wirkung grie­chischer oder gotischer Vorbilder. Im Gegensatz zu ihm glaubte der ahistorische K. Boet­ticher bereits an der Möglichkeit irgendwelcher neuen zierkünstlerischen Formsprache an der Erscheinung neuer Materialien, Formen und Grundelemente. Es hat den Anschein, als ob letzterer das Meiste dessen voraussah, was gegen Ende des Jahrhunderts eingetroffen ist. 7 Seine „wesentliche Eklektik" hätte als Ergebnis der kunsthistorischen Forschungen eine, sich den Ansprüchen der Industrieentwicklung eng anpassende, neuartige kunstge­werbliche und baukünstlerische Zierformsprache schaffen können. Die Franzosen haben statt der Theoretik die Zweige der Zierkünste eher in der Praxis aus­geübt. Sie haben ihre niemals bestrittene, während den Louis-Perioden errungene leitende Rolle auch bei den erneuerten Formen der Revolution und der Napoleonszeit bewahrt. Hier hat die stark antikisierende Richtung der Revolution nicht nur die seinerzeit höchst­puritanisch erscheinende Formen zum Vorschein gebracht, sondern auch die institutive Leitung des öffentlichen Geschmacks vorgesehen. In 1796 beschäftigte sich Emeric David — als Erster in unserer Kulturgeschichte — schon mit dem Gedanken, ein Museum zu gründen, das in belehrender und geschmackformender Weise die Erhaltung der ausdrück­lich kunstgewerblichen Denkmäler und Erzeugnisse zum Ziel hätte. 8 Obwohl dieser epo­chale Gedanke seinerzeit nicht verwirklicht wurde, tauchte in Frankreich, dem Lande der 9

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