O. Gy. Dely szerk.: Vertebrata Hungarica 22. (Budapest, 1984)

Stohl, G.: Sind Hauskanichen reingezüchte Mutanten des Wildkaninchens? (Mammalia, Lagomorpha) 73-82. o.

In Extremfällen lassen sich auch rein quantitativ bewertbare Domestikationsmerkmale, wie z.B. die Zunahme der Körpergrösse oder Körpermasse, mit dem Vorhandensein eines einzigen Major­Gens im Genotyp des Tieres in Zusammenhang bringen, wie z.B. beim Belgischen Riesenkaninchen (STOHL 1978). Es scheint also nicht ausgeschlossen zu sein, dass das Riesenwachstum des Kanin­chens in dem Hausstand durch ein einziges - im Verhältnis zum Wildtier - verändertes, d.h. imi­tiertes Gen verursacht wird. Dass dieses Gen seine Effektivität im höchsten Grade nur in einem weltgehend heterozygoten Genhintergrund entfalten kann, Ist eine andere Frage, die das Wesentliche nicht beeinflusst. Auch die In entgegengesetzter Richtung abgelaufene Umwandlung im Haustierstand, und zwar die Abnahme der Körpergrösse bei den sog. Zwergrassen, scheint ebenfalls nur von eini­gen Genen - wohl möglich, dass nur von einem einzigen - verursacht zu werden. Es handelt sich wahrscheinlich um ein dominantes Allel, das im heterozygoten Zustand Zwergwuchs determiniert, im homozygoten sich dagegen lethal auswirkt (persönliche Mitteilung von Dr. SCHILLING). Die für die übrigen Hauskaninchen-Rassen bezeichnende, und gegenüber der Wildform so auf­fallende Zunahme der Körpergrösse sowie Körpermasse lässt sich auch mit einer Kombination von Genwirkungen einer unbestimmbaren Anzahl von - gegenüber dem Wildkaninchen veränderten - Alle­len deuten, die unmittelbar nicht die Körpergrösse selbst, sondern andere Merkmale beeinflussen. Von den zahlreichen, vor allem genetisch eingestellten Experimenten, die an verschiedenen Rassen, Farbvarietäten, Schlägen und Linien des Hauskaninchens in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts durchgeführt worden sind, sollen diejenigen von NACHTSHEIM (1936) hervorgehoben werden. Unter dem Eindruck seiner speziellen Befunde formulierte er In eindeutiger Form, dass allein Mutationen an bestimmten Genlocl sowie die - von denen des Wildkaninchens abweichenden ­Genkombinationen die alleinigen Triebkräfte der Rassebildung beim Kaninchen Im Hausstand seien. NACHTSHEIM war geneigt, seine Resultate, die mittels Hauskaninchen gewonnen wurden, zu verall­gemeinern, und behauptete, dass der Mensch mit Hilfe der Mutation und Kombination auf dem Wege der künstlichen Zuchtwahl bei allen Haustierarten im Laufe der Jahrtausende die zahlreichen Rassen der Haustiere geschaffen habe. Er ging noch weiter und gelangte zum allgemeinen Rückschluss, dass Haustiere reingezüchtete Mutanten, bzw. Rekombinanten ihrer wilden Vorfahren seien. NACHTSHEIM' s Rückschlüsse wurden seinerzeit durch die Ergebnisse anderer Forscher unter­stützt. So hat z.B. STEINER (1939) aufgrund von Kreuzungsexperimenten mit Wellensittichen die Meinung vertreten, dass im Hausstand nur bei Wtldtieren vorhandenen Mutationen herausmendeln und erhalten bleiben. Die auf dem Gebiete der Erforschung genetisch bedingter physiologischer und biochemischer Merkmale des Kaninchens erzielten Resultate Hessen ähnliche Schlussfolgerungen zu. So z.B. das Auftreten eines gelben Fettes bei einzelnen Hauskaninchen-Exemplaren (PEASE 1931), sogar in be­stimmten Inzuchtstammen, gilt als Beweis dafür, dass sich im Hausstande solche mutierte Allele anhäufen können, die beim Wildtier nur ausnahmsweise oder vielleicht nie auftreten. Zusammenfassend: die zahlreichen genetischen, physiologischen und biochemischen Untersuchun­gen, die an Haus- und Wildkaninchen durchgeführt worden sind, beweisen also eindeutig, dass viele der für die einzelnen Rassen, Schläge, Linien usw. des Hauskaninchens bezeichnenden Eigentümlich­keiten auf Allele bestimmter Genlocl zurückgeführt werden müssen. Es wurde schweigend angenom­men, dass die Haustier-Eigenschaften bestimmenden Allele auch im Gen-Pool des Wildkaninchens vorhanden sind, jedoch mit einer äusserst niedrigen Häufigkeit. Die Überführung des Wildkaninchens In den Hausstand würde also nichts anderes bedeuten, als die Herauszüchtung (wohl möglich Rein­züchtung) von Individuen, die bestimmte Allele im homozygoten Zustand besitzen, was beim Wildtler praktisch nie der Fall sein kann. Zoologisch betrachtet sind aber Hauskaninchen keine weissen, d.h. albtnotlschen, keine chin­chlllafarbigen oder angorahaarigen Wildkaninchen, auch nicht einmal grösser gewordene Wildkanin­chen. Das ändert nichts daran, dass viele der für die Hauskaninchen bezeichnenden messbaren Merk­male letzten Endes mit der Zunahme der Körpergrösse geklärt werden können (Allometrie-Regel) . Man könnte dazu geneigt sein, Hauskaninchen einfach als Kaninchen mit einem veränderten "Konsti­tutionstyp" zu bezeichnen, und dies letzten Endes damit zu erklären zu versuchen, dass es im Ge­notyp eines Hauskaninchens mehrere - sogar zahlreiche - Genlocl von Allelen eingenommen werden, die von jenen des Wildkaninchens abweichen. Man könnte ja annehmen, dass die Eigentümlichkeiten der Hausform immer wieder sich im Laufe der Ontogenese entfalten, wenn einige Genlocl mit mu­tierten Allelen besetzt sind. Meistens müssen diese Allele im homozygoten Zustand vorhanden sein; falls sie aber dominant sind, so genügt es, wenn sie in einfacher Dosis vertreten sind. Da beim Hauskaninchen die Zahl der Im homozygoten Zustand vorhandenen rezessiven Allele sowie diejenige der mutanten dominanten Allele höher sein muss als beim Wildkaninchen, 1st schon beim Wildtler von vorneherein eine Homoeostase -flöheren Grades zu erwarten. Durch Einwirkungen

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