O. G. Dely szerk.: Vertebrata Hungarica 21. (Budapest, 1982)

Peters, G.: Phylogenetische Probleme der Lepidosauria 209-214. o.

Erkenntnis, dass die Amphisbaenia als Schwestergruppe der Sauria und der Serpentes angesehen werden müssten, und dass sich die Amphisbaenen vor der Aufteilung der Sauria in deren grosse Teilgruppen innerhalb des Lepidosaurierstammes separiert hätten. Eine Interpretation der zuerst genannten Schlussfolgerung im Sinne eines übereinstimmenden phylogenetischen Status zwischen Amphisbaenen, Echsen und Schlangen widerspräche den Darlegungen des zitierten Autors ins­gesamt, vor allem aber ist sie in methodischer Hinsicht nicht verifizierbar. Wenn man sie gelten liesse, würde dies bedeuten, dass alle 3 Taxa, Amphisbaenia, Sauria und Serpentes aus der gleich­zeitigen Dreiteilung einer Ursprungsart hervorgegangen wären. Dies kann in ähnlichen Fällen vor­gekommen sein. Doch führen die Methoden der phylogenetischen Systematik in Anwendung auf einen beliebigen konkreten Fall immer zur Falsifikation einer solchen Behauptung, denn jede Species be­steht bereits vor ihrer Teilung in Tochterarten aus einem System hierarchisch subordinierter Po­pulationskomplexe - auch in morphologischer Hinsicht - (PETERS 1964). Eine Analyse nach dem HENNIGschen Prinzip wird an hinreichend gut erforschten Objekten stets zu dem Ergebnis führen, dass von 3 zu vergleichenden Taxa immer 2 von ihnen in einem engeren Verhältnis zueinander stehen als jedes von beiden zum dritten. Bezüglich der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Amphisbaenia, Sauria und Seipentes wären a priori 3 Varianten denkbar: a) die Amphisbaenia sind die Schwestergruppe der Sauria; dann wären Amphisbaenia + Sauria als Taxon gemeinsam die Schwestergruppe der Serpentes; b) die Amphisbaenia sind die Schwestergruppe der Serpentes; dann wären Amphisbaenia + Serpentes als Taxon gemeinsam die Schwestergruppe der Sauria und c) Sauria und Serpentes sind Schwestergruppen und somit als gemeinsames Taxon die Schwes­tergruppe der Amphisbaenia. Aus den Ausführungen von GANS ist, wie schon bemerkt, ersichtlich, dass er in der Gesamt­heit der Sauria + Serpentes die "sister group" der Amphisbaenen sehen möchte. Diese Auffassung entspricht der Aussage eines Amnioten-Cladogramms, das ich 1976 entworfen habe. Innerhalb des monophyletischen Taxons der rezenten Lepidosauria besteht somit eine Hier­archie von Schwestergruppen: Lepidosauria = Squamata + Rhynchocephalia, Squamata = Amphisbaenia + Sauria/Serpentes. Für das monophyletische Taxon Sauria/Serpentes gibt es keinen Namen, denn ein solches Taxon kommt im typologisch-anagenetischen System der rezenten Reptilien nicht vor. Es wäre möglich, sich für dieses Taxon auf die Verwendung des Begriffes Sauria zu einigen, der bis jetzt synonym mit dem der Lacertilia zur Bezeichnung der Echsen in Gebrauch ist. Dann würden La­certilia und Serpentes gemeinsam das Taxon Sauria konstituieren. Doch um Verwechselungen und Missverständnisse zu vermeiden, sollte man sich wohl besser um einen neuen Namen für das aus Echsen und Schlangen bestehende Taxon bemühen. Mit dieser nomenklatorischen Prozedur jedoch eilt es nicht. Sie hätte nämlich zur Voraus­setzung, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden dürfte, Echsen und Schlangen seien tatsächlich Schwestergruppen im Sinne der phylogenetischen Systematik. Nach der seit Jahr­zehnten von vielen Herpetologen geteilten Auffassung von McDOWELL und BOGERT (1954) ist dies nicht der Fall. Die Serpentes, obwohl typologisch stets den Echsen als "Unterordnung" gegen­übergestellt, galten als eine aus dem Schosse der Platynota hervorgegangene Gruppierung, in phy­logenetischer Hinsicht also nur als eine Teilgruppe des Taxons Sauria. Urtümliche platynote Sau­rier als Ahnen der Schlangen anzusehen, gilt zwar immer noch als mögliche Hypothese, doch sah sich RIEPPEL (1980) ausserstande, auch nur eine einzige sichere Synapomorphie zwischen den Platynota und Serpentes aufzufinden. In diesem Bereich der Lepidosauriersystematik sind mithin weitere kritische Untersuchungen notwendig geworden, und deshalb wäre es voreilig und verfrüht, den zweiten (nomenklatorischen) Schritt vor dem ersten (analytischen) zu tun. Ein wesentlicher Gewinn zur Korrektur des Systems der rezenten Reptilien liegt jedoch in dem Résumé, das aus dem bis hierher Gesagten gezogen werden kann: die Amphisbaenia als Sub­taxon der Squamata sind die Schwestergruppe der Sauria + Serpentes! Sie sind dies auch unabhän­gig davon, ob nun die Schlangen ihrerseits die "sister-group" der Echsen darstellen oder nur eine ihrer Teilgruppen, ja selbst unabhängig davon, ob die Schlangen innerhalb der Sauria einen mono­phyletischen oder polyphyletischen Ursprung hatten. Damit wird die Frage, ob die Amphisbaenen den Schlangen oder den Echsen näher verwandt seien, gegenstandslos. Sie war methodisch notwendig und dem Fortschritt der Erkenntnisse för­derlich. Jetzt aber hat sie sich erledigt.

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