O. G. Dely szerk.: Vertebrata Hungarica 21. (Budapest, 1982)

Peters, G.: Phylogenetische Probleme der Lepidosauria 209-214. o.

Wenn die soeben gezogene Sc hlu s s folge rung, die vor allem aus den Überlegungen von GANS gewonnen wurde, richtig ist, d.h. wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Amphisbaenen die Schwestergruppe der Sauria + Serpentes sind, so ergibt sich noch eine weitere wesentliche Konsequenz. Sie besteht in der Tatsache, dass die Amphisbaenen dasselbe Ur­sprungsalter haben müssen wie die Sauria + Serpentes resp. deren phylogenetische Stammgruppe. Die ältesten bekannten Reptilien, aus denen nach CARROLL (1977) die Echsen hervorgegangen sein könnten, also die Basis- oder Stammgruppe der Sauria, sind vermutlich die Paliguanidae aus dem obersten Perm und der älteren Trias von Südafrika. Als Angehörige dieser Gruppe wurden vor allem die Genera Paliguana, Palaeagam a und Saurostern o n namhaft gemacht (CARROLL 1975). Andere Autoren hielten andere Gruppen resp. Gattungen für die Ahnen der Sauria. Alle diese Taxa jedoch existierten im Bereich der Perm-Trias-Transition. Die ältesten fossilen Reste von Amphisbaenen dagegen wurden in wesentlich jüngeren Schichten gefunden, nämlich im Paleozän, Eo- und Oligozän (TAYLOR 1951, ESTES 1975). Aus dem Meso­zoikum scheinen sie noch unbekannt zu sein. Entsprechend unserem Modell vom Schwestergruppenverhältnis zwischen Amphisbaenia und Sauria/Serpentes und entsprechend dem Nachweis der Existenz ältester Echsen schon zu Beginn der Trias muss es die Amphisbaenen auch bereits im Mesozoikum gegeben haben. Bei ihnen handelte es sich um Lepidosaurier, die zum Teil schon "echte" oder "typische" Amphisbaenia mit allen konstitutiven Gruppenmerkmalen waren, zum anderen als Angehörige ihrer "Stammgruppe" sensu HENNIG (1969) zumindest eines der konstitutiven Bauplanmerkmale der Amphisbaenia aufwiesen. Es kann sein, dass solche Fossilien noch nicht gefunden wurden. Es könnte aber auch sein, dass sie bereits gefunden, jedoch nicht als Amphisbaenen erkannt wurden, da ihnen der grösste Teil der sog. gruppentypischen Merkmale fehlt. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Schlangen. Sollten sie die Schwestergruppe der Sauria sein, müssten sie ebenso lange existiert haben wie diese, nämlich seit Anfang des Mesozoikums. Sind sie jedoch eine Teilgruppe der Sauria wie McDOWELL und BOGERT (I.e.) annahmen, so könnte es in Einklang mit den vorliegenden Resten fossiler Schlangen zutreffen, dass ihre Ge­schichte erst in der Jurazeit oder in der Unterkreide begann. Schliesslich ermöglicht das entworfene Modell über die Phylogenese der Lepidosauria auch noch eine Aussage bezüglich des relativen Alters der Rhynchocephalia. Als Schwestergruppe der Squamata müssen sie so alt sein wie diese und mithin gemäss dem geologischen Alter der ältesten Squamaten bereits zu Beginn des Mesozoikums existiert haben. Die paläontologischen Befunde, die diese Aussage des Modells verifizieren könnten, sind jedoch noch sehr lückenhaft und zudem wider­sprüchlich interpretiert worden. CARROLL (1977) sprach sich entschieden dagegen aus, die Rhynchocephalia in ihrer Gesamtheit den Squamaten gegenüberzustellen. Er möchte als Pendant zu den Squamaten allein die Sphenodontiden mit Glevosauru s aus der Trias gelten lassen, da die Rhyn­chosauriden, ebenfalls seit der unteren Trias bekannt, keinerlei nähere Beziehungen zu den Sphe­nodontiden erkennen lies sen. Aus diesen Anmerkungen zu den Fragen der Lepidosaurier-Systematik, zu deren Erörterung die Amp hi sbaeniden Studie von GANS in den Mittelpunkt gestellt wurde, dürfte auch ersichtlich geworden sein, dass nach den Methoden der phylogenetischen Systematik entworfene stammesge­schichtliche Modelle eine inspirierende Wirkung auf die spezielle Forschung, insbesondere auf die Paläontologie, ausüben können. Phylogenetische Modelle - zumeist Dendro- oder Ciadogramme ge­nannt -, machen, indem sie die Ergebnisse analytisch-vergleichender Forschung in sich aufneh­men, auf Lücken in der Fossilüberlieferung - echte wie möglicherweise vermeintliche - aufmerk­sam. Im vorliegenden Fall orientiert das Cladogramm auf die Suche nach den mesozoischen Amphisbaenia. Mit Hilfe des Schwestergruppenprinzips und des Prinzips der Stammgruppe kann der Blick dafür geschärft werden, unter *typologisch "determinierten", oft in Sammelgruppen (Eosuchia, Thecodontia usw.) untergebrachten Fossilien nach Angehörigen bestimmter Taxa zu fahnden. Wie schwer dies allerdings in der Praxis ist, hat soeben erst BOY (1981) gezeigt. Est ist zwar möglich, ohne Rückgriff auf den gern als "HENNIGsches Prinzip" bezeichneten Komplex phylogenetischer Methoden (taxonomische) Ordnung herzustellen. Unmöglich aber ist es, ohne sie zu verifizierbaren, objektiven Hypothesen über die realen stammesgeschichtlichen Beziehungen der hierarchisch verkapselten supraspezifischen Kategorien zu gelangen.

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