Gábor Eszter: Die Andrássy Straße - Unser Budapest (Budapest, 2002)
„Die Radialstraße (Sugárút) tag im Körper von Budapest so. wie die Donau in demjenigen Ungarns. Niemand konnte daran, daneben, ohne sie vorbeigehen. Nichts konnte in Pest mit der Radialstraße konkurrieren; sie war die Hothnung der Stadt..." (Gyula Krúdy: Budapests Bräutigam) Die Pester Radialstraße (Sugárút), welche seit ihrer feierlichen Übergabe am i. Mai 1885 den Namen Andrássy Straße (Andrássy út) führte, wurde nicht nur zur Hoffnung der Stadt, sondern auch zum Sinnbild einer Epoche. Die Idee ihrer Eröffnung kam kaum ein Jahr nach dem Ausgleich auf, fünf Jahre vor der Vereinigung der Stadt. Ihr Bau dauerte bis zur Landesausstellung — ihre Glanzzeit bis zum Zweiten Weltkrieg. Mit dem Vergehen der „glücklichen Friedenszeiten" verblaßte auch ihre Bedeutung, ihren Zauber hat sie jedoch bis heute bewahrt. Unter den Plänen des Ministerpräsidenten des Ausgleichs von 1867, Graf Gyula Andrássy, nahm die Entwicklung der Hauptstadt des Landes zu einer Großstadt von europäischem Niveau einen besonderen Platz ein. Deshalb berief er schon im Mai 1868 eine Konferenz ein, auf welcher er seine Urbanisierungsvorstellungen bekanntgab. Dazu gehörte auch der Gedanke einer breiten Verbindungsstraße zwischen der Stadt (heute Innenstadt) und dem Stadtwäldchen. Die beiden Geschwisterstädte an beiden Ufern der Donau verband damals schon seit zwei Jahrzehnten die Kettenbrücke, rechtlich waren sie jedoch noch getrennt. Pest entwickelte sich dynamischer. Die April-Gesetze des Jahres 1848 bestimmten Pest als den Sitz des Parlaments, hier wurde auch das bedeutendste öffentliche Gebäude der Reformzeit, das Nationalmuseum errichtet, welches jahrzehntelang auch das Magnatenhaus beherbergte. Nicht weit von hier — in der heutigen Bródy Sándor utca 8 — wurde 1865 das Abgeordnetenhaus gebaut. Sogar die Aristokratie zog langsam von Buda nach Pest: um das Nationalmuseum herum entstand mit den Palästen der Familien Esterházy, Festetich und Károlyi das neue Palastviertel. Das ruhige Buda mit seinem Kleinstadtleben umgaben die Berge, welche den Bewohnern Gelegenheit zur Erholung boten. Auf der Pester Seite war das Stadtwäldchen der einzige Ausflugsort der Bürger. Der seit Beginn des 19. Jahrhunderts sich entwickelnde, damals schon 60 Jahre alte Park konnte jedoch nur durch die enge, überfüllte und schmutzige König Gasse (Király utca) erreicht werden. Andrássy wollte zwischen der Innenstadt, Leopoldstadt (Lipótváros) und dem Stadtwäldchen eine würdevolle Verbindung herstellen, eine elegante Straße, welche — ähnlich dem Pariser Champs Élysée und dem Wiener Ring — rechts und links von öffentlichen und privaten Palästen eingerahmt war. Er hoffte — und diese Vorstellung bewahrheitete sich später auch zum Teil —, daß die neue Straße ein Beispiel für weiteres Bauen, eine weitere spontane Entwicklung der Stadt sein werde. 5