Gábor Eszter: Die Andrássy Straße - Unser Budapest (Budapest, 2002)
Stammesfürst oder andere ungekrönte König der Boheme war der aristokratischer veranlagte Pál Szinyei Mene. [...] Was war der Hauptzauber des großen Künstlertisches? Dai gänzliche Fehlen der Überheblichkeit! Daß iogar die Jungen Szinyei Pali bácsi (Onkel Pali) nannten, daß Lechner mit Papói angesprochen wurde, wie sein früh verstorbener Sohn Dönci ihn genannt hatte. Doch die ganze Gesellschaft übernahm diese Anrede, weil sie sie übernehmen durfte.” Zu den Mitgliedern des Stamm-Künstlertisches gehörten außerdem Károly Ferenczy, Adolf Fényes, József Rippl-Rónai, István Csók, Károly Kernstok, Zsig mond Kisfaludi Strobl, Elek Falus, Tibor Pólya und viele andere. Gerne ging auch Ernő Szép hin, der 1931 so darüber schreibt: „An der Andrássy út hatten wir ein Kaffeehaus. in jener freundlicheren Zeit: das Café Japan: seine weißen Majolikawände waren voll bemalt mit Bambus, Chrysanthemen, Vasen und geträumten Vögeln. — Das Café ist auch heute noch offen, die Zeit jedoch geschlossen. — Wir, die wir dorthin ins Japan gingen, gingen wohl weiter, als wären wir nach Japan gegangen: dies Kaffehaus war ein entfernteres Cxotikum als die Welt des weißen Lotus, des grünen Tees und des goldenen Buddha: denn das Café Japan war das Feen-Haus der Jugend. — Dorthin ging ich am Nachmittag und vernachlässigte das Romanlesen, das Pferderennen, manchmal sogar die Liebe: in der heiligen Zeit der Freundschaft solch heilige Notwendigkeit des Lebens." Zwischen den zwei Weltkriegen funktionierte das Café noch, wenn der Künstlertisch auch nicht mehr existierte. Schriftsteller konnten hier stundenlang bei einem durch „Verbesserung” verlängerten Kaffee sitzen. (Zur Verbesserung bekam man noch eine Zusatzportion Milch, dann erneut Kaffe vom Kellner.) Attila József trug hier seine denkwürdigen Schachkämpfe gegen Lajos Nagy aus. Und wenn alles stimmt, hat er wohl in der hiesigen Kaffehausecke sein Gedicht Zu meinem Geburtstag geschrieben. Zu Beginn der fünfziger Jahre wurde am Ort des Café Japan das Buchgeschäft der Schriftsteller vom Staatlichen Büchervertriebsunternehmen eröffnet. Heute vereint das Geschäft der Schriftsteller die beiden früheren Funktionen harmonisch: die Tee-Kaffe-Lesetische neben den Eckfenstern zur Andrássy út hin verbreiten eine angenehme, leserfreundliche Atmosphäre. 1935 wurde am Liszt Ferenc tér in Sichtweite der Kaffeehausfenster die Statue Ödön Lechners aufgestellt (besser gesagt hingesetzt). Papsi, wo bist du hin? — klagte Ernő Szép, der im Haus gegenüber wohnte und die Statue stets vor Augen hatte, als man 1948 die Statue Lechners in den Vorgarten des Kunstgewerbemuseums übersiedelte. Der Liszt Ferenc tér und gegenüber der Jókai tér sind beide durch die Verbreiterung der Endstrecke der einstigen Gyár utca zur Zeit des Baus der Andrássy út entstanden. Unter den Bäumen standen ursprünglich kleine Springbrunnen, die 28