Gábor Eszter: Die Andrássy Straße - Unser Budapest (Budapest, 2002)

liegen müßte. Die schwere Aufgabe inspirierte die Architekten. Es wurden 58 Bewerbungsarbeiten eingereicht (drei Jahre später beim Wettbewerb zum Bau des Parlaments bloß 19!); die aus namhaften ungarischen und Wiener Architekten bestehende Kommission belohnte vier Entwürfe, den Auftrag er­hielt Adolf Feszty. Ödön Lechner, Zsigmond Quittner und Gyula Pártos erhiel ­ten später beim Bau der Radialstraße andere Aufgaben. Adolf Feszty schuf eine reich ausgebildete Fassade, indem er auf der durch das Abschneiden des spitzen Winkels entstandenen Fläche Säulen, Loggien und Ädikulä (durch Säulen und durch von ihnen gehaltene dreieckige Giebel umrahmte Fenster) abwechselnd plazierte. Alles wurde von einer in Kuppelform gedachten Dachhaube abge­schlossen. Die Bestimmung des Gebäudes symbolisierte die Hermes-Gestalt auf der Spitze des Giebels, welcher den Portalrahmen der beiden oberen Stock­werke zusammenfaßte. Es war keine feine Architektur — zuviel hatte der Archi­tekt hier zusammengedrängt. (In seiner heutigen Form ist das Gebäude ohne die Dachhaube dazu noch unvollständig.) Die beiden Straßenfassaden sind zu sehr gegliedert, sie bilden kein einheitliches Ganzes. Im ersten Abschnitt der Radialstraße durfte man — wie schon berichtet — drei- und vierstöckige Häuser bauen. Diese Maße bedeuteten im Falle von Wohnhäusern auch Ende des 19. Jahrhunderts schon Mietshäuser. Dreistöckige Paläste in geschlossener Reihe baute in Ungarn niemand, trotzdem bedeutete das nicht, daß reiche Leute, die Häuser bauten, nicht auch hier zu wohnen wün­schten. So entstand auch in Pest der Typ des Palastmietshauses. (Nicht zu ver­wechseln mit dem von vielen Zeitgenossen kritisierten Mietspalast, der außen wie ein Palast aussah, innen jedoch ein einfaches Mietshaus war.) In den Palastmietshäusern gab es für den Erbauer des Hauses eine riesige Wohnung, die ein ganzes Stockwerk einnahm, manchmal mit separatem Eingang, separat­en Treppen, höheren Räumen als in den übrigen Stockwerken und mit reicher­er Innenausstattung— alles auch für Paläste geeignet. In den oberen Stock­werken entstanden dann die ebenfalls anspruchsvollen Mietwohnungen. Der Lage nach war das erste Palastmietshaus dasjenige des Andräs Saxlehner (Andrássy út 3). Das von zwei Straßen begrenzte Grundstück von 338 Quadrat­klaftern war teuer, lange konnte der HRK es nicht verkaufen. Im Herbst 1882 fürchtete man, daß bis zur Eröffnung der Straße hier kein würdiges Gebäude entstehen und dies deshalb das Gesamtbild verunstalten würde und so trug sich der HRK sogar mit dem Gedanken, hier eventuell ein als Hotel verwend­bares Gebäude errichten zu lassen. Da meldete sich Saxlehner, kaufte das Grundstück für 163.358 Forint und ließ von Győző Czigler, Professor an der Technischen Hochschule, ein dreistöckiges Mietshaus dafür entwerfen. Der Kauf fand im Frühjahr 1883 statt, die Pläne wurden im Februar 1884 bewilligt und im August 1885 wurde die Wohnerlaubnis erteilt. (Man kann annehmen, daß das Haus bei der Eröffnung der Straße im Mai außen schon fertig war.) Den II

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