Gábor Eszter: Die Andrássy Straße - Unser Budapest (Budapest, 2002)

Preis gewonnen hatte. Die vom Unternehmen geplanten Häuser waren noch im Sinne des frühen Historizismus konzipiert, deshalb waren sie strenger und steifer, als die kaum ein Jahrzehnt später, im Zeichen des reifen Historizismus ent­standenen. (Die Zeitgenossen fanden diese frühen Gebäude langweilig.) Nachdem das Radialstraße-Bauunternehmen zugrunde gegangen war und die Grundstücke unter die Verwaltung des HRKs kamen, konnte von einer ein­heitlichen Planung der Häuserblocks nicht mehr die Rede sein, da der Rat eine Behörde war und kein Kapital zum Bauen hatte — bloß die Verwertung der Grundstücke nahm er wieder auf sich. Den privaten Bauherren konnte man eine einheitliche Erscheinung nicht vorschreiben, die Bauvorschriften konnten bloß minimal einzuhaltende Bedingungen enthalten (Maß der Bebauung, Zahl der Stockwerke, Gesimshöhe usw.), stilistische Vorschriften nicht. Die Andrässy üt wurde jedoch auch so einheitlich, da in den 10—15 Jahren ihres Baus der Neorenaissancestil in Budapest sozusagen herrschend war. Einige später errichteten Häuser paßten sich notwendigerweise den früheren Gebäuden an. Beachtenswert ist, daß auf der Andrässy üt — anders als am Wiener Ring — wenig öffentliche Gebäude entstanden (wie auch am Großen Ring [Nagykörűt]). In Wien wurden das Parlament, das Rathaus, das Kriegsministerium, die Universität, die Oper, die beiden Museen alle am Ring gebaut. In Budapest befanden sich die öffentlichen Gebäude zum Teil in der Innenstadt, zum Teil aber in Buda auf der Burg, auf ihrem alten Platz, und der Bau neuer öffentlich­er Gebäude kam — vor allem wohl wegen Kapitalmangel — zur Zeit der Errichtung der Radialstraße (Sugárút) gar nicht auf. Deshalb entstand die Straße wirklich als eleganter Korso mit Wohnhäusern. Zu ihrer Schönheit trug vor allem auch die sorgfältige Bepflanzung mit Bäumen bei — die Platanenreihen, welche die Allee zu beiden Seiten säumen. ENTLANG DES WEGES Von der Kleinen Ringstraße (Kiskörút) bis zum Oktogon Das erste Haus hatte eine für das Stadtbild wichtige Aufgabe, es mußte den Grundton der Radialstraße angeben. 1872 ließ der HRK einen Entwurf von Miklós Ybl für dieses Grundstück anfertigen, der auch auf der Wiener Weltaus­stellung 1873 vorgestellt, jedoch nicht verwirklicht wurde. Das Grundstück wurde dann von der Fonciére Versicherungsgesellschaft gekauft, die im Februar 1881 einen Wettbewerb für die Beschaffung der Pläne ausschrieb — ein damals noch seltener Brauch. Die eigenartige, stark spitzwinklige Form des Grund­stücks suggerierte sozusagen, daß der Hauptakzent an der Spitze des Winkels 10

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