Gábor Eszter: Budapester Villen - Unser Budapest (Budapest, 1997)

In jeder größeren europäischen Stadt erschienen während des 19. Jahrhunderts in kleineren oder größeren Gärten einzeln stehende einstöckige Häuser. Sie lagen etwas wei­ter vom überfüllten Stadtzentrum entfernt, entlang der schat­tigen Wege der neugeplanten, mit Bäumen bestandenen Viertel. Die wohlhabenden Bürger zogen nach und nach in die locker bebauten Gegenden und wählten den ihren An­sprüchen und Möglichkeiten entsprechenden Gebäudetyp. Die bürgerliche Villa als selbständige Gattung war durch die Verschmelzung zweier verschiedener Gebäudetypen ent­standen. Die klassische (römische) Villa, deren enge Ver­wandte und Abkomme die in Italien entstandene und be­liebte Renaissance-Villa war, diente als Aufenthaltsort der Städter auf dem Lande. Obwohl nur zeitweiliger Wohnsitz, war sie in erster Linie nicht Ferienhaus, sondern Zentrum der sie umgebenden Wirtschaft. Sie lag außerhalb der Stadt inmitten des bebauten Landes - um sie herum freies Ge­biet von weiter, unübersehbarer Ausdehnung. Die Renais­sance-Villen unterschieden sich von den späteren Schlös­sern der Aristokraten vor allem durch ihre Größe. Die Vil­len waren für eine bescheidenere Hofhaltung mit weniger Dienstpersonal gebaut, auf viel kleinerer Grundfläche und mit weniger Räumen. Der im Italien des 16. Jahrhunderts verbreitete und ver­feinerte Gebäudetyp war im Norden der verschiedenen hi­storischen Entwicklung wegen unbekannt. Nördlich der Al­pen hatte sich das Bürgertum noch eine ganze Weile nicht außerhalb der Stadtmauern gewagt. Der Kleinadel wohnte auf seinen Landgütern in bescheidenen Unterkünften oh­ne jeden Luxus. Nur die Aristokratie verfügte über die Mit­tel, Schlösser und Paläste zu bauen. Auf ihren größeren Gütern stand je ein Schloß, in der nahe gelegenen größe­ren Stadt bzw. in der Haupstadt - in der Nähe des Hofes - je ein Palast. Als um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert der Sen­timentalismus die Natur „entdeckte“, wurde das Bürger­tum sich plötzlich dessen bewußt, daJ3 man auch außer­halb der Stadtmauern leben konnte. Das Sichwegsehnen aus dem täglichen Trubel in die Stille der Einsamkeit, aus der Gesellschaft in die Privatsphäre wurde zum Grund­erlebnis. Wer konnte, verbrachte wenigstens einen Teil des Jahres außerhalb der Stadt inmitten der Natur. Die Som­merfrische kam in Mode, Urlaubs- und Badeorte entstan­den und wurden beliebt. Der Kontinuität des Geschäftsle­bens wegen konnten die Bürger die Stadt nicht auf zu lan­ge Zeit verlassen - so erklärt sich die Tatsache, daJ3 belieb­te Sommerfrischen nahe der Städte entstanden. Von hier 5

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