Gábor Eszter: Budapester Villen - Unser Budapest (Budapest, 1997)

abgesonderte Wälder-Neobarock drückte seinen Stempel nicht nur den öffentlichen Bauten, sondern auch den Pri­vatbauten auf. Von der Neobarock-Villa des Namengebers dieser Stilrichtung, Gyula Wälder (Himfy utca 9.) kann kaum geglaubt werden, daß sie gleichzeitig mit der Villa Savoye von Le Corbusier gebaut wurde. Doch nicht nur Wälder baute im Stil des Späthistorismus, sondern auch der früher so moderne, ausgezeichnete Architekt Béla Mál­nai brachte es fertig, die einstige Sebö-Villa in der Szarvas Gábor utca 18. als Miniatur-Kopie des Versailler Kleinen Trianon zu bauen. Die Jahrhundertwende war auf dem Gebiet der Künste die Zeit des Individuums; auch bei den Wohnhäusern hat­te man sich die Befriedigung spezieller individueller Be­dürfnisse zum Ziel gesetzt. Infolge des Krieges war das In­dividuum in den Hintergrund gedrängt worden, hinter die Gemeinschaft; für das Jahrzehnt nach dem Krieg war in ganz Europa die soziale Sensibilität charakteristisch. (Un­garn kann sozusagen als Ausnahme betrachtet werden, da der Schock der Räterepublik die gemeinschaftlichen Ideen vor einem Großteil der Bevölkerung blamiert hatte.) Im Deutschland der Weimarer Republik, in Holland und Öster­reich wurde der Weg der neuen Architektur von den Ver­suchen einer Lösung der Wohnungsprobleme des kleinen Mannes bestimmt. Die Wiener Städtischen Häuser wie der bekannte Karl-Marx-Hof, die deutschen Siedlungen wie die Dessauer Bauhaus-Siedlung oder die Frankfurter Römer­stadt waren alle bedeutende Schöpfungen der modernen Architektur. Natürlich wurden für die kleinen Leute keine Villen erbaut, es gab jedoch Versuche, die nicht in großen Miethäusern, sondern in kleinen Einfamilienhäusern eine Lösung suchten. Ohne näher darauf einzugehen, genügt es wohl die Stuttgarter Weissenhof-Siedlung zu erwähnen, die 1927 unter der Organisation des Deutschen Werkbun­des entstanden war und für die unter anderen die deut­schen Architekten Peter Behrens und Walter Gropius, der Österreicher Josef Frank, der Franzose Le Corbusier und die Holländer J. J. R Oud und Mart Stam bescheidene, funktionelle Einfamilienhäuser entworfen hatten. Gegen Ende des Jahrzehnts war die Kunde von der neuen Archi­tektur, die der englische Kunsthistoriker H. R. Hitchcock nicht grundlos international nannte, dann auch nach Un­garn gelangt. Stufenweise vollzog sich in der ungarischen Architektur nun die Geschmacksveränderung. Die aufwendige, mit un­echten Dekorationen überladene, wenig funktionelle neo­barocke Bauweise wurde auch bei öffentlichen Gebäuden 39

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