Gábor Eszter: Budapester Villen - Unser Budapest (Budapest, 1997)

hinausgehen. Im Laufe des Nachmittags bekommen wir regelmäßig Gäste; nur Tante Lori war noch nicht da, da ihre voluminöse Persönlichkeit nicht durch unsere schö­nen schlanken Türen hindurchkann. Gegen Abend, wenn es anfängt kühler zu werden, steigen wir in das Eck­türmchen hinauf, von dessen Höhe man die herrlichste Aussicht genießt. Eine noch schönere Aussicht bietet das nordöstliche Belvedere, in welches ich recht gut hinauf­steigen kann; Vater hingegen war vorgestern, als er eben­falls hinaufzukommen versuchte, in der engen Treppe steckengeblieben, und wir haben den schon nach Atem ringenden erst nach drei Stunden gefunden - er war nämlich vor seinem Aufstieg recht unachtsam gewesen, hatte sich statt des Lüstermantels den Flauschmantel an­gezogen. Dieses kleine Abenteuer hatte Vater recht unge­halten gestimmt, und ich glaube kaum, daß er noch je einmal probieren wird, ins Belvedere hinaufzuklimmen. Was Deinen Besuch betrifft, meine liebe Pepi, ich kann es kaum erwarten und habe für Dich schon ein kleines Zimmerchen am ersten Stock eingerichtet - d. h. eher ausgeräumt, da ich gezwungen war, die Möbel, um Platz für Dich zu machen, woanders abzustellen. Ich bin über­zeugt davon, daß Du Dich da sehr gut fühlen wirst. Jetzt muß ich aber mit meiner Plauderei aufhören, sonst wächst mein Brief so sehr, daß sein Ende zum Fenster hinaus bis in die Sugár út reicht, was bei hellichtem Tag nicht sehr gut aussehen würde. Gott sei mit Dir, meine liebe Pepi; komm sobald wie möglich, da sich schon heiß nach Dir sehnt, Deine echte Freundin Antonia. “ Das der Brief. Es bedarf wohl keiner weiteren Erklärung. Eine bessere Beschreibung der Puppen-Sommerhäuser von der Sugár út kann man wohl nicht geben. 1876 betrachtete also Hevesi die Villen an der Sugár (And- rássy) út als Sommerhäuser, also Gebäude, die nur zum Sommer-Aufenthalt dienten. Sehen wir nun, wie groß die­se, für klein gehaltenen Räume eigentlich waren: Die grö­ßeren Zimmer der Weninger-Villa betrugen fünfunddrei­ßig, die kleineren fünfundzwanzig Quadratmeter. In der großen Wohnung des Harkányi-Palastes Andrássy út 4., welcher einige Jahre später ebenfalls nach Plänen von Pet- schacher gebaut worden war, betrugen die größeren Zim­mer fünfzig bis fünfundfünfzig Quadratmeter, die kleineren fünfunddreißig; sogar in den hinteren Wohnungen des drit­19

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