Gábor Eszter: Budapester Villen - Unser Budapest (Budapest, 1997)

merleins und lasse die frische Luft herein, durch die bei­den zarten Ästlein des Akazienbäumchens, der diesen Teil unseres Parks bildet. Dann trete ich auf meinen Bal­kon hinaus, in den Schatten einer Markise, die etwa so groß ist wie die Schürze eines kleinen Mädchens. Den Käfig meines Kanarienvogels, der sonst auf dem Balkon steht, muß ich zuerst ins Fenster stellen, da wir beide gleichzeitig auf dem Balkon keinen Platz haben. Dann gehe ich ins Speisezimmer hinunter, ein nettes kleines Zimmerchen im Erdgeschoß, in welchem auch das Früh­stück serviert wird, wenn wir mehr als drei und weniger als fünf Personen sind. Für den Tee mußten wir uns einen kleineren Samowar anschaffen, da unser städtischer Sa­mowar hier zuviel Platz einnehmen würde und mit dem Kronleuchter Zusammenstößen könnte. Nach dem Früh­stück zündet sich Vater seinen morgendlichen Tschibuk an, doch nur nachdem ich die Türe geöffnet habe, da die Pfeife so lang ist, daß sie durch die Türe bis zum Ende des Vorzimmers reicht. Ich ziehe mich dann mit den Zei­tungen auf die westlich gelegene Veranda zurück, die ein ruhiges, luftiges Plätzchen ist; dort lese ich die „Haupt­städtischen Blätter“, da das „Pester Tageblatt“ und das ,Vaterland“ ihrer Laken-Größe wegen nicht auf der Ve­randa entfaltet werden können. Wenn die Sonne mir dann nachkommt, ßüchte ich vor ihr auf den östlich gele­genen Balkon, der auf zwei Säulen steht; dort unterrichte ich mein Schwesterlein Mathilde in der Perlenstickerei, während sie auf meinem Schoß sitzt, da zwei Stühle ne­beneinander hier nicht Platz haben. Zu Mittag essen wir regelmäßig in der nordöstlich gelegenen Rotunde, die von acht Säulen gebildet wird, oben von einem Pavillon­dach italienischen Geschmacks beschattet. Ein runder Tisch steht drin, mit vier Stühlen; das Sitzen ist etwas eng, doch nach einiger Übung geht es trotzdem ganz ein­fach. Es ist schon wahr, der Diener bringt die Speisen außen um die Säulenhalle herum und reicht sie jedem einzeln zwischen den Säulen hindurch herein, da er in­nen nicht ringsherum gehen kann; es stimmt auch, daß kein Omelette soufflée aufgetragen werden kann, da sonst die vom Dach herabhängende Lampe ganz hinein­hängen würde, da es so aufgeblasen ist; doch all dies wird durch den Vorteil wettgemacht, daß Vater und Alfred wegen Platzmangels ihre abscheulich langen Virginia- Zigarren nicht anzünden können. Nach dem Essen folgt ein klitzekleines Schläfchen im Schatten zweier Nelken auf der südwestlichen Terrasse: ein größerer Schlummer oder sogar ein Schlaf würde über den engen Rahmen 18

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