Gerle János: Paläste de Geldes - Unser Budapest (Budapest, 1994)
gesamte Wirtschaft Westeuropas in der Hand. Der Versuch, in dessen Tiefen sich das durch Erkenntnis auf sich genommene Ideal der Brüderlichkeit verbarg, bewies zwar seine Funktionsfähigkeit - z. B. waren der Bau der gotischen Kathedralen und ein Großteil der Blüte der mittelalterlichen Kultur das Ergebnis des Wirkens der Templer -, seines frühen Erscheinens wegen mußte er jedoch notwendigerweise jenem drängenden Prozeß, durch welchen sich die freie, unabhängige und egoistische Persönlichkeit herausformte, zum Opfer fallen. Der CJrsprung des Vermögens der während der Spätrenaissance überall in Europa auftauchenden Bankierdynastien geht auf jenen Massenmord zurück, durch welchen der französische König Philipp der Schöne sich das Vermögen der Templer angeeignet hatte, (ln Ungarn bereitete Karl Robert von Anjou, der Verwandte und Spielkamerad Philipps des Schönen, den Templern ein erbärmliches Ende.) Die bedeutenden Bankiersfamilien genossen - vor allem in Italien - großes Ansehen und Macht, was ihnen den Weg zu höchsten Würden ebnete. Von den Fürsten und Päpsten der Zeit Leonardos und Michelangelos gelangte so mancher als Mitglied reicher Bankiersfamilien - Gonzaga, Este, Medici - auf den Thron. Der Gläubiger von Papst Julius II. (Medici) ließ die Fresken seiner Villa - mit dem Vatikan konkurrierend - von Raffael malen. Die Paläste dieser Bankiers widerspiegelten ihr Vermögen und ihre Macht. Die Architekten der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichteten Bankgebäude hatten sich zwecks Betonung der Parallelität jene architektonischen Beispiele gewählt, welche die Verflechtung von kirchlicher - staatlicher - und geldlicher Macht und deren erfolgreiches Funktionieren repräsentierten. Außerdem war das auch noch eine Zeit, deren Gesellschaftsordnung und Kultur im allgemeinen als ideal angesehen wurde. (Cind als solche wohl auch als letzte in der Geschichte.) Die Bankpaläste des 19. Jahrhunderts verfügten kaum über funktionelle Vorbilder. Schauplatz der Bankaktivitäten war nach den antiken Tempeln zuerst ein kleiner, leicht und schnell aufstellbarer, gut tragbarer Tisch (davon stammt ja das Wort Bank), später eine kleine, versteckte Wechselstube. Größere geldliche Transaktionen unternahmen die Bankiers in ihren Palästen. Die kapitalistische Entwicklung stellte an die Banken neue Anforderungen, die über die Welt der Salone und Wechselstuben weit hinausgingen. In England wurde 1694 die erste Notenbank als 9