N. Kósa Judit - Szablyár Péter: Das unterirdische Pest - Unser Budapest (Budapest, 2002)

der Hauptstadt fahren. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs hatten bewie­sen, daß in den mit Luftschutzkellern ausgestatteten großen Städten (wie z. B. London) die Zahl der Opfer wesentlich kleiner war als woanders. Deshalb wen­dete man sowohl beim Bau der M2 als auch bei der M3 solche Lösungen an, daß man im Notfall die Anlagen durch kleine Veränderungen in Schutzkeller ver­wandeln konnte, ohne den Massenverkehr dabei zu behindern. (Vor allem bei der Planung und Ausführung der Linie 2 war dies ein bestimmender Gesichts­punkt, da die fünfziger-sechziger Jahre die Jahre des kalten Krieges waren.) Es wurden solche ergänzende Anlagen ausgebaut, die zusammen mit den Linientunnels 200-220 000 Leute in Budapest sicher unterbringen konnten. Der Großteil der Linientunnels und Stationen liegt 20-30 Meter tief unter der Erde, was vom Gerichtspunkt des Schutzes aus ideal ist; die Ausgänge und Ver­bindungen mit der Oberfläche befinden sich an den verkehrsreichsten, gut er­reichbaren Knotenpunkten; die Rolltreppen mit einer großen Kapazität machen ein schnelles Hinunter- und Hinaufgelangen möglich. Die Grundbedingung der Versorgung der Schutzkellerfunktion ist eine Ab­schaltung des Stroms in den Linientunnels und das Schließen jener mechani­schen, hermetisch abschließbaren Stahltüren, welche die unerwünschten Ein­wirkungen von der Erdoberfläche (Luftstöße, Hitzeeinwirkung, chemische- oder radioaktive Einwirkung) ausschließen. Eine weitere Voraussetzung des Aufent­haltes da unten ist die Versorgung mit Luft und Wasser. Die beiden Metrolinien wurden in mehrere Schutzkellersektoren aufgeteilt: diese umfaßten das Gebiet von zwei-drei Stationen bzw. Zwischenstationsgebieten. Jedes verfügt über einen eigenen Generator, ein selbständiges Luft- und Wasserversorgungsnetz. In den großangelegten Maschinenräumen auf der gleichen Ebene wie die Linientunnels stehen dieselbetriebene Generatoren von einer 350 Kilowatt Leistung bereit, um in einem Notfall von hier aus die Rolltreppen sowie die Beleuchtungs-, Be- lüftungs- und Wasserversorgungssysteme zu betreiben. (Im Falle eines Ausfalls des Wasserversorgungssystems an der Erdoberfläche sichern die eigenen Brun­nen der Metro das lebenswichtige Wasser für ein unterirdisches Leben.) Die Auspuffgase der riesigen Motoren, welche die Generatoren betreiben, werden an die Oberfläche befördert, die Ventilatorenanlagen hingegen saugen durch ein doppeltes Filtersystem die saubere Luft von der Oberfläche nach unten. Sie funktionieren wie eine riesige Gasmaske. Bei der ersten Stufe werden durch Sackfilter die größeren Staubkörner herausgefiltert, bei der zweiten durch spe­zielle (Aktivkohle-) Filter ein Teil der gasartigen Verunreinigungen gebunden. In den fünfziger Jahren verbreiteten sich Legenden über riesige unterirdische Lebensmittel-Lager, Krankenhäuser und Bereitschaftsbasen im Untergrundnetz. <4

Next

/
Thumbnails
Contents