Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)

4. Folgen von Migrationsprozessen auf die Literatur - Hammer Erika: Ein Entwurf von der Welt. Bewegung als Ver-Wandlung der Welt in der Poetik von Herta Müller

Hammer, Erika: Ein Entwurf von der Welt 259 (Müller 2009: 94). Dieses Ablauschen und Hinhören ist zum Ziel gesetzt. Dieser Impetus legt Müllers Ästhetik fest, die eine Ver-Rückung der bekannten Welt und damit ein Neues Sehen beabsichtigt. Müller hebt in ihrer Paderbomer Poetikvorlesung Der Teufel sitfi im Spiegel. Wie Wahrnehmung sich erfindet hervor, dass man sich einen „wachsamen Blick“ aneignen muss (Müller 1995: 13), um den „willkürlich abgesteckten Weg der Norm“ zu verlassen (Müller 1995: 5). Klar ist bei Müller auch, dass ähnlich wie bei den genannten Vorahnen die Krise der Wahrnehmung eng an die Problematisierung und Reflexion der Sprache gekoppelt wird. Die Autorin spricht von einem „mit­gebrach te(n) Wissen“ (Müller 2001b: 11), das sehr stark an die Sprache gebunden ist. Auch ihr Essay „In jeder Sprache sitzen andere Augen“ reflektiert diesen Sachver­halt. In Heimat ist das, was gesprochen wird sagt sie: Zwischen allen Sprachen tun sich Bilder auf Jeder Sat£ ist ein von seinen Spre­chern so und nicht anders geformter Blick aif die Dinge. Jede Sprache sieht die Welt anders an, hat ihr gesamtes Vokabular durch diese andere Sicht anders gefunden — ja sogar anders eingefädelt ins Net% seiner Grammatik. In jeder Sprache sitzen andere Augen in den Wörtern. (Müller 2001: 15, herv. von mir, E.PI.) 4 Narrative Bewegungen Ein einheitliches Etikett, das den Texten ein gemeinsames Timbre gibt, ist nicht nur allein die Verschiebung und Vermischung der Sprache, sondern auch ein hybrider Duktus. Verschmolzen sind nämlich bei Müller erzählerische und poe- tologische Texte, biographische und fiktive Welten. Dies ist intendiert und von den ersten Texten der Autorin bis zur Nobelpreisrede und den späten Texten zu verfolgen. Ein weiteres markantes Charakteristikum ist der essayistische Erzähl­stil. Das Essay ist nicht nur berufen - wie auch in der Tradition - eine kulturkri­tische Einstellung zum Ausdruck zu bringen, sondern es geht auch auf dieser formalästhetischen Ebene um eine Auflehnung gegen Statik und Enge. Frappie­rend dabei ist, dass die Einsichten nicht als etwas Fertiges, sondern als eine Su­che, als eine Bewegung und ein Gedankengang exponiert werden. Diskreditiert werden damit begriffliche Exaktheit und ein logisch-kausales Argumentieren. Das Essay wird als eine Gattung meist kultur- und zivilisationskritischer Prosa verstanden, der der Zivilisationskritik Kunstverehrung gegenüberstellt. Es wird bei Sichtung des Materials in zureichender Prägnanz erkennbar, dass die hier zur Debatte stehenden Texte in einem persönlichen Ton verfasst sind, der sich dem

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