Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)
4. Folgen von Migrationsprozessen auf die Literatur - Kerekes Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur – gefangen zwischen Authentizität und Fiktionalität sowie ohne Aussicht auf internationalen Erfolg?
Kerekes, Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur 231 fallen der Zensur, keine staatlich reglementierte Papierquoten für die Verlage u.ä. Formen der Einmischung von Staat und Politik eine Reihe von nachteiligen Tendenzen mit sich gebracht: nämlich die Verdrängung von Fragen der Kultur in den Hintergrund durch die Fragen von Politik und Wirtschaft. Literatur, die Kunst überhaupt hat ihre Dimension als Feld der politischen Auseinandersetzung weitgehend verloren, was natürlich einerseits erfreulich ist, denn seit der politischen Wende konnten politische und wirtschaftliche Probleme im öffentlichen Leben, in den elektronischen sowie den Printmedien direkt angesprochen werden, und mussten von Fall zu Fall nicht mehr in eine kulturelle oder literarische Hervorbringung „verpackt” vorgebracht werden. Zugleich bedeutete dies aber auch einen Verlust all jener Leser, die sich vor der politischen Wende der Kultair aus dem Grunde zugewandt hatten, weil sich in ihrem Rahmen eine Art „Ersatzöffentlichkeif” etabliert hatte, in der man ansonsten durch die Staatsmacht tabuisierte Fragen in codierter Form erörtern konnte. Jetzt konnten die bis dahin in ungarischer Sprache nicht zugänglichen, früher verbotenen Werke der Weltliteratur5 ebenso veröffentlicht werden wie bis dahin lediglich in gekürzter Form erschienene ungarische Werke.6 Ein weiterer Verlust an Lesern seitens der Hochkultur erfolgte nach der Wende in Richtung der Unterhaltungsliteratur, deren Produkte jetzt für die Masse des ungarischen Publikums in einer nie zuvor gekannten Menge auf dem Markt erschienen sind. Hinzu kam noch der deutliche Anstieg der Buchpreise in den vergangenen 25 Jahren sowie die bedauerliche und ebenso deutliche Abnahme der Zahl der staatlich subventionierten Buchreihen, die dem Lesepublikum die Klassiker der ungarischen und der Weltliteratur zu erschwinglichen Preisen zugänglich machen. Die Grundprinzipien der freien Marktwirtschaft zeigen sich mit einigen ihren nachteiligen Auswirkungen bedauerlicherweise deutlich im gegenwärtigen Alltagsgeschäft vieler Verlage, die - bis auf einige wenige - nunmehr in erster Linie ökonomische Überlegungen anstellen, anstellen müssen oder anstellen zu 5 Etwa 1984 und Animal Farm von George Orwell, die beide 1989 als 1984 und Allatfarm im Verlag Europa Könykiadó erschienen, sowie Jewgeni Samjatins dystopischer Roman Wir. (Zamjatyin, Jevgenyij: Mi [Wir]), 1990 im gleichen Verlag veröffentlicht. 6 So etwa der bereits 1973 fertige Roman A városalapító von György Konrád, der erst 1977 — nachdem er zuvor im Jahre 1975 in München in der Übersetzung von Mario Szenessy im List Verlag unter dem Titel der Stadtgriinder herausgekommen war - in einer gekürzten Fassung beim Budapestet Verlag Magvető veröffentlicht wurde und dann erst 1992 vollständig bei einem anderen Verlag erschien. (Konrád, György: A városalapító [Der Stadtgründer\. Budapest: Pesti Szalon Kiadó 1992.