Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)
4. Folgen von Migrationsprozessen auf die Literatur - Kerekes Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur – gefangen zwischen Authentizität und Fiktionalität sowie ohne Aussicht auf internationalen Erfolg?
230 Kerekes, Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur kommunistischen Kulturpolitik unterdrückt und erst nach der Wende veröffentlicht worden wäre, um hiernach im allgemeinen Konsens des ungarischen kulturellen Lebens den Status eines Werkes zu erreichen, das symbolisch für die Zeit der zensierten Literatur stehen würde. In der Übersetzungsliteratur sind bei Texten aus dem deutschsprachigen Raum vor allem problematische Beispiele aus der westdeutschen Literatur bekannt, so etwa die im Vergleich zu den ungarischen Übersetzungen der anderen Werke des Autors verspätete ungarische Veröffentlichung von Heinrich Bölls Ansichten eines Clowns (wegen einer Szene, in der die Hauptfigur Hans Schnier in der DDR bei Vertretern der dortigen Gewerkschaften auf wenig Gegenliebe stößt, als er im Rahmen einer seiner Pantomimen den Alltag der DDR kritisch zu kommentieren versucht) und der ungarischen Erstveröffentlichung von Günter Grass’ Die Blechtrommel (aus der man einfach die Passagen strich, die die Übergriffe der sowjetischen Armeeangehörigen in Deutschland beschrieben). Die ungamdeutsche Literatur war von den hier skizzierten Umständen selbstverständlich betroffen. Die Autoren bzw. ihre Veröffentlichungen unterstanden ebenfalls der Verlagshauptdirektion, weshalb sie sich strikt an die politischen Vorgaben der Kulturpolitik hielten, waren sie doch als Deutsche durch zusätzliches Misstrauen gestraft. Allerdings gestalteten sie in diesem Zeitraum politische Themen so gut wie überhaupt nicht, und nur in seltenen Fällen, dann beinahe immer vollkommen im Sinne der Staatsmacht. Ab und zu gab es vorsichtige Versuche, politische Themen und Motive mit einzuschmuggeln, die zu der offiziellen Sprachregelung in Widerspruch standen, was allerdings nur sehr leise und auf zurückhaltende Weise erfolgen konnte. Wirtschaftlich gesehen war es für einen ungamdeutschen Autor nicht möglich, vom Ertrag seines Schreibens zu leben. Die veröffendichten Bände standen alle außerhalb aller kommerziellen Erwägungen, das Geld für die Veröffentlichung kam - unter welchem Etikett auch immer - vom Staat. Der ungamdeutsche Autor schrieb vermutlich aus den verschiedensten Motiven, doch darauf zu hoffen, freischaffender Schriftsteller werden zu können, entbehrte jedweder Realitätsgrundlage. (Unter den ungarischsprachigen Autoren gab es in der Zeit vor der Wende eine ganz Reihe, die sehr gut vom Ertrag ihres Schreibens leben konnten.) 2.2 Nach der politischen Wende 1989/90 Die politische Wende von 1989/90 und die nachfolgenden Jahre haben in Ungam bei allen erfreulichen Veränderungen im kulturellen Leben wie das Weg