Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)
1. Landschafts- und Gemeinschaftswandel als Folge von Migration - Krauss, Karl Peter: Migration und Modernisierung. Sozioökonomische Prozesse und Kulturlandschaftswandel in Transdanubien im 18. Jahrhundert
10 Krauss, Karl-Peter: Migration und Modernisierung Metzen Getreide liefern könne. Von 1736 bis 1744 verdreifachte sich der Getreidepreis in der Herrschaft Deutschbohl/Böly (Krauss 2003: 87—89). Eine Partizipation an den steigenden Getreidepreisen war aber nur möglich, wenn Getreide in hinreichender Menge produziert wurde. Dazu aber brauchte man genügend Untertanen, die dieses Getreide produzierten. Damit wuchs der Bedarf an Humankapital. So traten neben die staatlichen Entscheidungsträger der Wiener und Ungarischen Hofkammer und den Grundherren die Untertanen als weitere Akteure auf der Mikroebene. Nicht selten wirkten Migranten als Katalysatoren von Modemisierungsprozessen. Zugleich waren sie selbst Akkultura- tionsprozessen unterworfen. 2 Sozioökonomisehe Prozesse und Ansiedlungspolitik Das 18.Jh. ist hinsichtlich der Kolonisationstätigkeit ein Jahrhundert der Expansion. In Mitteleuropa konkurrierten Preußen, Habsburg und das Zarenreich um Siedler. Diese Konkurrenzsituation manifestierte sich besonders nach dem Siebenjährigen Krieg (1763). Es ist kein Zufall, dass fast zeitgleich neben das preußische Retablissement die Ansiedlungspatente von Maria Theresia und der russischen Zarin Katharina II. in das Jahr 1763 fallen. Ebenso wenig ist es verwunderlich, dass sich ein preußischer Werbezettel in Unterlagen des Finanz- und Hofkammerarchivs befindet.9 Das zeigt jedenfalls, dass Ansiedlungsprivilegien durchaus mit Blick auf das Verhalten der konkurrierenden Großmächte gewährt wurden und dass Migranten begehrt waren. Großzügige preußische oder russische Privilegien konnten so den Migrantenstrom in den Donauraum gefährden. Leitlinie staatlichen Handelns besonders unter Joseph II. wurde der Kameralismus, die mitteleuropäische Ausprägung des Merkantilismus.10 Neben der aktiven Handelsbilanz waren populationistische Denkmuster verbreitet: Das Wachstum der Bevölkerung und physiokratische Überlegungen zur Förderung der Landwirtschaft standen im Vordergrund. So war es nur konsequent, wenn fremde Bevölkerung in das eigene Land geholt wurde. Die staatstheoretische Untermauerung lieferten Populationisten wie Johann Joachim Becher (1635— 1682), aber auch Wilhelm Freiherr von Schröder (1640-1688) und Philipp Will- helm von Hörnigk (1640—1714). Das Handeln von Joseph II. wurde maßgeblich [Archiv der Familie Batthyány], P 1314, Missiles, Brief von Eleonora Gräfin Batthyány- Strattmann an den Inspektor ihrer Güter, Johann Szabó, 13.06.1739. 9 Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Finanz- und Hofkammerarchiv (FHKA), neue Hofkammer (NHK), Kamerale Ungarn 32, fol. 117-120. 10 Eine Zusammenfassung der Haltung von Joseph II. zur Bevölkerungsvermehrung als ein wichtiges Merkmal von Reformen siehe Fata (2014: 77—86).