Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)
Tibor Hajdu: Alte und neue Eliten in Ungarn in der Zwischenkriegszeit
keit der Elite paßte, oder ignorierte - wenn dies nicht gelang - die Parteiführer. Diese Nicht-Beachtung erstreckte sich auch auf herausragende Künstler, die zur demokratischen Opposition zählten. Es gab demokratische Oppositionspolitiker, die als Mitglieder der Elite betrachtet wurden (Rassay, Bajcsy-Zsilinszky), dies geschah aber nur aufgrund ihrer Persönlichkeit, Privatbeziehungen. Ein vieldiskutiertes Problem der damaligen Zeit war die Erhöhung der Zahl der Universitätsabsolventen und ihrer Rolle in der Gesellschaft.18 Eine Folge von Trianon war, daß mit den Absolventen, gebildeten ungarischen Beamten, Lehrern, Offizieren und Eisenbahnern, die aus den abgetrennten Gebieten flohen, der Anteil der tatsächlichen Elite im 20. und 21. Jahrhundert also der Anteil der gebildeten Menschen an der Gesamtbevölkerung zunahm. Der Anteil der geistig Tätigen wuchs auf einen Schlag von 4,2 auf 6,6 Prozent.19 Auch zwei Universitäten flohen auf das verkleinerte Gebiet Ungarns, das ansonsten nur über zwei Universitäten verfügt hätte. Es hätte den Beginn einer großen Chance bedeuten können, anstelle der verlorenen Bergwerke nun geistiges Kapital zu fördern, diese Chance wurde aber verpaßt. Die zwanziger Jahren sind die Zeit der Kulturpolitik von Klebelsberg. Während dieser danach strebte, das kulturelle Niveau - im Sinne der „ungarischen Kulturüberlegenheit“ - zu erhöhen, und zugleich etwas vom Liberalismus der Tisza-Zeit bewahrte, widersetzte er sich offen der Ausweitung - heute würde man sagen der Demokratisierung - des Unterrichts auf der höheren und mittleren Ebene. Später Hóman und Teleki unternahmen demgegenüber Schritte, Talente aus dem Volk zumindest in die kulturelle und wissenschaftliche Elite aufsteigen zu lassen. Auf diese Weise erhöhte sich gegen Ende der Epoche die Zahl der Uni- versitäts- und Hochschulstudenten und unter diesen der Anteil von Kindern von phisisch Werktätigen, Handarbeitern von 14 Prozent in den 1930er Jahren auf 19 Prozent im Jahre 1941. Dies ist klein großer Schritt vorwärts, aber in den anderen Staaten des damaligen Europas war die Situation auch nicht viel besser; nach den mir bekannten detaillierten norwegischen Daten (siehe die Forschungen von E. Myrhe) war in der Zwischenkriegszeit dieser Anteil an den dortigen Universitäten und theologischen und militärischen Hochschulen nur ein wenig höher als in Ungarn. Auch dort begann der Durchbruch erst nach dem Zweiten Weltkrieg, dann allerdings langsamer, als in Ungarn. Was betrachten wir als kulturelle Elite? Auch hierzu gibt es keinen einheitlichen Standpunkt. Wir können von gebildeten Menschen sprechen, unabhängig von ihrer sozialen Lage. Wir können dazu diejenigen zählen, die auf dem Gebiet der Kunst und Wissenschaft tatsächlich Herausragendes schufen; wo aber ist das objektive oder auch nur das erfaßbar Maß? Wir können diejenigen der kulturellen Elite zurechnen, die die herrschende gesellschaftliche Elite akzeptierte. Dies ist auch nicht einfach, aber zumindest meßbar, greifbar. Die Frage ist, wie sehr die Nachwelt das interessiert. Inwiefern verändert das wechselnde Verhältnis Mozarts 13