Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Tibor Hajdu: Alte und neue Eliten in Ungarn in der Zwischenkriegszeit

zu den Salzburger Erzbischöfen den Wert seiner Werke? Lassen sie mich am Bei­spiel des erwähnten Rubicon-Bandes veranschaulichen, wie sehr die diesbezügli­chen Ansichten voneinander abweichen. In seinem Artikel, der sich mit den herausragenden Gestalten der Naturwis­senschaft, der Mathematik und der Technik beschäftigt, versucht István Gazda,20 wirkliche, beständige Werte zu definieren und macht zur Bekräftigung seiner Auf­fassung auch spöttische Bemerkungen zu den Aspekten der offiziellen Anerken­nung unter den verschiedenen Regimen. Im Artikel über die Elite in der Literatur untersucht der Verfasser, Attila Buda,21 hingegen nur die Situation von Schrift­stellern, die in offiziellen Kreisen Anerkennung fanden oder unter den damaligen Lesern beliebt waren (und daher auch gut verdienten). Schriftsteller, die die Ärm­lichkeit aus dem einen oder anderen Grund nicht anerkannte, werden - obwohl es sich um auch heute gelesene und geachtete Autoren handelt - nicht zu den Mitgliedern der damaligen Elite gerechnet. Unter dem Gesichtspunkt der Analyse sind beide Annäherungen akzeptabel. Wenn wir einen internationalen Vergleich anstellen, dann können wir viel­leicht folgendes feststellen: Auf dem Gebiet der Wissenschaft waren die Gesell­schaften und Universitäten derjenigen Länder, die entwickelter als Ungarn waren, aufgeschlossener gegenüber jungen Talenten. Und ein Großteil dieser Staaten kann ihren höheren Entwicklungsstand auch diesem Sachverhalt verdanken. In Österreich war die Situation, was die Wissenschaft anbelangt, wohl nicht viel anders als in Ungarn. (Siegmund Freud konnte in Österreich, ebenso wie sein Freund Sándor Ferenczi in Ungarn, nicht ordentlicher Professor werden.) Aber auf dem Gebiet der Künste war die österreichische Elite offener. In Bezug auf Ungarn können wir gar von einem Rückschritt sprechen: Bis 1905 gingen große wissen­schaftliche oder künstlerische Leistungen im allgemeinen mit offizieller Anerken­nung einher. Bei uns in Ungarn bildete sich die Distanz zwischen offizieller Kunst und tatsächlich großer Kunst zuerst noch 1905 heraus. Die Anerkennung folgt der Leistung um 50 nach 30 Jahren, d.h. die Elite der Zwischenkriegszeit konnte die zeitgenössischen Größen in Literatur, bildender Kunst und Architektur nicht akzeptieren. In der Musik - als wirklich internationaler Kunst - war die Lage viel­leicht etwas besser. Die von Horthy als höchste Anerkennung gestiftete Corvin- Kette erhielten 1930 die ausgezeichneten Künstler Hubay und Dohnányi, aber Bartók und Kodály, die diese übertrafen, bekamen hingegen nur den weniger be­deutsamen Corvin-Kranz. In der Literatur ist die Situation wesentlich schlechter: Ferenc Herczeg, der als gutes Mittelmaß bezeichnet werden kann, bekam damals die Corvin-Kette, den Kranz einige, die noch mittelmäßiger waren. Unter den wirklich großen Schriftstellern wurde in der Tat nur Áron Tamási - im Jahre 1940 - der Corvin-Kranz verliehen. Dies kann zum Teil auch als - allerdings verdiente - Geste an die ungarische Literatur Siebenbürgens betrachtet werden. An der Aka­14

Next

/
Thumbnails
Contents