Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Tibor Hajdu: Alte und neue Eliten in Ungarn in der Zwischenkriegszeit

Andor Lázár, von 1932 bis 1938 Justizminister, beschreibt in seinen Memoiren, wie er als praktizierender Rechtsanwalt sowie als Mitglied rechtsradikaler Vereini­gungen (TESZ) und vor allem einer Jagdgesellschaft Bekanntschaft mit Gömbös machte. Dieser holte ihn als Staatssekretär zu sich, später als Minister. Nach dem Tode von Gömbös war es dann mit der politischen Karriere von Lázár auch schnell zu Ende.16 Um 1921 übte - wie nach 1867 - eine neue große Gruppe der Aristokratie passiven Widerstand gegenüber dem herrschenden Regime, nämlich die sogen­annten Legitimisten, die dem Elause Habsburg die Treue hielten und Horthy als Hochverräter betrachteten. Die reichsten Familien (Esterházy, Erdődy, Batthyány, Hunyady, Cziráky usw.) und die vornehmsten (Andrássy, Apponyi, Sigray usw.) gehörten zu dieser Gruppe, während die Familie Károlyi in ein Horthy-freundliches und ein Horthy-feindliches Lager zerfiel. Nur einen Teil ihres früheren Glanzes konnten die siebenbürgischen und oberungarischen Grafen ersetzen, die Regie­rungsämter übernahmen (Bethlen, Teleki und Csáky). Im 1927 wiedererrichteten Oberhaus saßen auch die Legitimisten. Aber das gesamte Oberhaus, das die Hoch­elite repräsentieren sollte, verlor allerdings selbst seine geringe Bedeutung, die es vor 1918 noch gehabt hatte. Nach dem Tode der legitimistischen Führer (Gyula Andrássy und Albert Ap­ponyi) hätten die familiären und gesellschaftlichen Beziehungen sowie auch Hor- thys Snobismus dazu dienen können, die verschiedenen Gruppen der Aristokratie wieder zueinander zu führen. Aber Hitlers Machtergreifung und die schrittweise Annäherung der ungarischen Regierungen an Deutschland verhinderten dies; die katholischen Legitimisten wurden nach dem Anschluß zu entschiedenen, wenn auch größtenteils passiven Nazi-Gegnern. In den Kriegsjahren zerbrachen so die gesellschaftlichen Verbindungen der auch zuvor nicht homogenen Hochelite. Die kirchliche Elite konnte ihren Einfluß im wesentlichen bewahren, allerdings mit einer leichten Verschiebung zugunsten der protestantischen Kirchen. Dies lag teils daran, daß der Geist des Hauses Habsburg verschwand (nebenbei bemerkt: Horthy war Kalvinist), teils daran, daß der Anteil der Protestanten, der im alten Ungarn 22 Prozent ausgemacht hatte, nach Trianon auf 28 Prozent anstieg. Uber die Militärelite wird Professor Sándor Szakály sprechen, ich meinerseits erwähne hier nur so viel, daß ihre Sonderstellung nach den Revolutionen ein Ende findet und sie mit der politischen Elite zusammenwächst. Dies fördert die vollständi­ge Assimilation der deutschstämmigen Elemente der Elite. Seit den Dreißiger Jahren übernehmen immer mehr Offiziere zivile politische Funktionen - nach Gömbös werden Berufsoffiziere wie Miklós Kozma, dann Sándor Győrffy-Bengyel, Gusztáv Hennyey, Antal Kunder, István Lossonczy, Jenő Rátz und Béla Lukács zu Mi­nistem, was zuvor unvorstellbar gewesen wäre. Béla Marton wird einer der Führer 11

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