Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Goran Hutinec: Das Bürgertum von Zagreb im Urbanisierungsprozess von 1918 bis 1931

Dalmatien und in das Küstenland, wo die neue politische Ausrichtung in Schwung kam und mit der Schließung der Kroatisch-serbischen Koalition gekrönt wurde. Diese neuen Strömungen finden einen Anklang in Zagreb nur sehr langsam, weil Zagreb eine völlig österreichisch-ungarische Stadt bleibt, auch nach der Machter­greifung durch die Koalition und nach der Aufgabe der radikaleren Forderungen nach der Umstrukturierung der Monarchie. Eine derartige Entwicklung bewirkte bei vielen jungen Anhängern des Jugosla- wismus eine ablehnende Haltung gegenüber Zagreb und seinen Einwohnern. Un­mittelbar vor Beginn des zweiten Weltkrieges war Zagreb in ihren Augen der Inbe­griff des Misserfolgs und der Jämmerlichkeit, während die Zagreber die Verkörpe­rung der Verdorbenheit waren. Anfang 1914 schreibt Vladimir Cerina über Zagreb als eine „Stadt der Zyniker”, von derer achtzigtausend Einwohnern „man fünfzig (Tausend) zum Schlachthof treiben sollte, fünf sollten in der Sava ertrinken und fünf andere in einem undenkbar heftigem Regen umkommen”, während die rest­lichen zwanzigtausend „in ein morales und nationales Purgatorium sollten”. Aus Cerinas weiteren Überlegungen ist es unmissverständlich ersichtlich, dass er Zag­reb und den Zagrebem vor allem ihre Integriertheit in die, seiner Meinung nach, anationale mitteleuropäische Stadtkultur übel nahm - ihn stört die „deutsch-un­garische Kultur des wunderschön eingerichteten und geschmückten Zrinjevac”, „stattliche Architektur und reicher Schmuck des Theaters” oder „glitzernde Basar­schaufenster (...) von Kraus, Weiss, Kuhn, Esenthal...” Er meint auch, ganz un­wichtig seien „elegante Tramwaychen”, „schiefe Zylinderhute und eingepresste Monokel”, „gespannte weiße Handschuhe und überaus glänzende amerikanische oder englische Schuhe”, oder „Smokings und Salonschuhe und glattgebügelte An­züge nach der letzten Mode”, d.h. äußere Erscheinungen des städtischen Lebens­stils mit dem sich die Zagreber Elite von ihrer Umgebung hervorhob. Laut Cerina zeigt all dies das letzte Stadium des „nationalen, sozialen und kulturellen” Verfalls, der nun droht aus Zagreb auch auf die Provinz übertragen zu werden, in „unsere friedlichen Dörfer”. Als Gegensatz zur Zynikerstadt Zagreb hebt er die „Helden­stadt” Belgrad hervor, an wessen Vorbild sich Zagreb orientieren sollte. Der erste Weltkrieg und politische Richtungswechsel in Nachkriegsmonaten resultierten in einer Umstrukturierung von Mitteleuropa und des Balkangebietes. Nach einem kurzfristigen Intermezzo in Form des Staates der Slowenen, Kroaten und Serben wurde Österreich-Ungarn durch das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen ersetzt, womit sich die Situation für Zagreb und seine Stadtelite grundlegend änderte. Statt an der Peripherie des großen mitteleuropäischen Reiches, befand sich Zagreb plötzlich in einem vor allem auf den Balkan orien­tierten Land. In der neuen Umgebung war Zagreb nicht mehr nur eine von zahl­reichen Peripheriestädten, sondern die zweitgrößte Stadt nach Belgrad, während es wirtschaftlich zum stärksten Zentrum des neuen Staates wurde. Trotzdem verlor 111

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