Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Goran Hutinec: Das Bürgertum von Zagreb im Urbanisierungsprozess von 1918 bis 1931

Zagreb die politische Bedeutung die es in Österreich-Ungarn genoss, weil es die Position der Hauptstadt einer autonomen politischen Einheit verlor. Im zentra­lisierten jugoslawischen Staat unterschied sich Zagreb nicht von anderen, vom politischen Diktat aus Belgrad abhängigen Städten. Nach dieser Umstrukturierung und der Stabilisierung der Umstände wurde der Wunsch von radikalen jugoslawischen Vorkriegsnationalisten doch nicht erfüllt. Während sie vor dem Krieg außer der Machtverlagerung nach Belgrad auch den Verzicht auf elitäre Formen der Stadtkultur verlangten, zeigte es sich nach der Bildung des jugoslawischen Staates, dass sich Belgrad auch in dieser Hinsicht nicht wesentlich von Zagreb unterschied. In den ersten Tagen des neuen Staates wurde vielmehr betont, dass „Zagreb in seinem Rentnerleben, in seiner Trägheit der Badeund Kurorte keinen Eindruck der Hauptstadt eines Landes hinterlässt”, während man in Belgrad „auf den ersten Blick erkennen kann, dass dies die Reichs­hauptstadt ist” voller „Aktion und Begeisterung”. Ein Großteil der Belgrader Elite verbrachte den Krieg im Exil in westeuropäischen Metropolen und so war ihr das städtische Leben keineswegs fremd. Obwohl als grundlegende staatliche Kultur­ideologie das jugoslawische dinarische Ideal akzeptiert wurde, hatte dies keinen gößeren Einfluss auf die Veränderung der Lebensweise von Stadteliten in größeren Städten. Es muss aber eingeräumt werden, dass die militärische Komponente der Zagreber Vorkriegselite wegen des Misstrauens hinsichtlich ihrer Loyalität gegen­über dem neuen Staat ihre bisherige Stellung verlor, so dass sie teils emigrierte, sich teils aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzog und sich teils mit kroatischen nationalistischen Kreisen, die das Jugoslawentum ablehnten, verbündete. Außer ihnen entschieden sich auch ausländische Angehörige der Stadtelite teils für die Rückkehr in ihre Heimatländer, vor allem nach Ungarn und Österreich. Die meisten Angehörigen der Zagreber Oberschicht, vor allem gebürtige Kroa­ten, passten sich den neuen Umständen sehr schnell an. Das neue Regime, unter dem Druck von sozialen und politischen Kämpfen, was sich in Zagreb in kurzzeiti­ger Amtsbesetzung durch den Bürgermeister aus der kommunistischen Partei nie­derschlug, akzeptierte sie als eine der Stützen des Staates. Kommunist Delid wurde (wie auch in Belgrad) bald nach der Wahl in das Bürgermeisteramt durch Vjekos- lav Heinzei ersetzt, der mit kurzen Unterbrechungen fast acht Jahre im Amt blieb. Danach überließ er seine Stellung Stjepan Srkulj, einem weiteren Angehörigen der Zagreber Vorkriegselite, der sich den neuen Umständen erfolgreich anpasste. Aus Heinzeis Beispiel ist es ersichtlich, dass sich die Zagreber Stadtelite, vor allem jene, die den Elitestatus ihrem wirtschaftlichen Einfluss oder technischen Kenntnissen verdankte, nach dem ersten Weltkrieg sehr leicht den politischen Umwälzungen anpasste und dass sie nun vielleicht noch schneller die Gesellschaftsleiter erklomm, ungehindert vom langfristigen Erinnern an die Herkunft und den Status, das der österreichisch-ungarischen Vorkriegsartistokratie eigen war. Als angesehener 112

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