Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)
Tibor Hajdu: Alte und neue Eliten in Ungarn in der Zwischenkriegszeit
altadeligen Familie stammte oder mit einer solchen in Verwandtschaftsbeziehung trat und der in der Bankenwelt Karriere machte, aber auch weiterhin Kontakte zur bürokratischen und adeligen Elite unterhielt - erst als Partner, dann als Konkurrent der jüdischen Bankiers. Aus dieser Gruppe können wir Tibor Scitovszky hervorheben, der aus einer vornehmen Pfarrersfamilie stammte und in Kalksburg bei den Jesuiten lernte. Ähnlich wie sein jüngerer Bruder Béla, der in der Ära Bethlen Präsident des Repräsentantenhauses und dann Innenminister werden sollte, bereitete er sich auf eine Karriere als Ministerialbeamter vor, ließ sich aber, als man ihn zum Direktor der Kreditbank (Hitelbank) berief, im Alter von 47 Jahren in den Ruhestand versetzen. Auf Gesuch von Bethlen übernahm er zur Zeit der Aufnahme des Völkerbundkredits, der eine Stabilisierung Ungarn ermöglichte, für kaum ein halbes Jahr das Amt des Außenministers, um dann schnell wieder an die Spitze der Kreditbank zurückzukehren.14 Hierher gehört auch Béla Imrédy, ein Finanzexperte, der aus einer guten Familie stammte und vielleicht noch talentierter war, als Scitovszky. Imrédy wurde mit 35 Jahren Direktor der Nationalbank, dann Finanzminister. Nach nur drei Jahren kehrte er wieder an die Spitze der Nationalbank zurück. 1938 ließ er sich endgültig zu einer politischen Karriere hinreißen, die ihn auf den Sessel des Ministerpräsidenten führte und die noch höher: am Galgen endete. Wichtige Gestalten der Elite waren auch die Söhne van Grundbesitzver- waltem, die mit gräflicher Protektion zu Politikern aufstiegen. Zu dieser Gruppe zählen der - bereits erwähnte - Wekerle, dann Ignác Darányi, außerdem - zwischen den beiden Weltkriegen - sein Neffe, Ministerpräsident Kálmán Darányi, und Béla Jurcsek, Minister für Landwirtschaft und Versorgung, sowie Gyula Ru- binek, der erste Landwirtschaftsminister der Horthy-Ära. Die drei letzteren sind allerdings nicht mehr Vollstrecker gräflichen Willens, sondern Führer der neuen, rechtsradikalen politischen Elite. In dieser neuen Elite sind verwandtschaftliche Bande nicht mehr aus formellen, sondern vielmehr aus praktischen Gründen wichtig. (So für Ferenc Keresztes-Fischer, Cousin des Historikers und Minister Bálint Hóman, der ein Jahrzehnt hindurch, vor und während des Zweiten Weltkrieges, Innenminister war. Sein Bruder war General und Generaladjutant Horthys. Bei Minister für Innern Miklós Kozma - über den die Zeitschrift Rubicon ebenfalls ein interessantes Porträt veröffentlicht15 - ist hingegen der Vater ein General und der Großvater Oberster Staatsanwalt usw.) Wichtig ist außerdem die Mitgliedschaft in verschiedenen Geheimgesellschaften, in religiösen Vereinigungen, in Kameradschaftsverbänden und Sportvereinen (zu letzteren zählte z.B. der mächtige Juristen Sportverein (MISE), in Klubs, in Kasinos sowie in Tafel- und Jagdgesellschaften. Eine berühmte pressure group waren die „12 Kapitäne“, die sich aus den ersten, den Szegeder Offizieren Horthys von 1919 zusammensetzte, darunter Gömbös, Kozma sowie spätere Generäle und Generaladjutanten Horthys usw. 10