Ciubotă, Viorel (szerk.): Satu Mare. Studii şi comunicări. Seria istorie-etnografie-artă 17-21/2. (2000-2004)
A. Istorie
110 Viorel Ciubotă als ein besonderes Zeitdokument aus, sie wurde von einem der würdigsten griechisch-katholischen Priestern der Region, Vasile Pătcaşiu aufbewahrt. Infolge der geografischen Lage, am Rande des rumänischen ethnischen Blocks, die Geschichte der Rumänen in der Sathmarer Region entwickelte sich außerordentlich interessant, das ist der Ort, wo es den Rumänen besondere Bemühungen kostete, ihre Sprache, ihre Religion und ganz allgemein ihre ethnische Identität gegenüber der Expansion des ungarischen Blocks zu bewahren, andererseits ist Sathmar der Ort, wo die Interferenzen, die Mul tikul turalität, das friedliche Zusammenleben Charakterzüge sind, die überall in der modernen Zeit zu finden sind. Diese Dualität der Faktoren hat die kollektive Mentalität der Rumänen beeinflusst und zeigt sich prägend zur Zeit der Revolution im Herbst des Jahres 1918, aber auch zur Zeit der Einrichtung der rumänischen Verwaltung im Jahre 1919, wo die revolutionären Prozesse nicht so akut auftraten wie anderswo. Die Ausdehnung des ungarischen Blocks im Laufe von 100 Jahren war außerordentlich. Obwohl Ende des 18. Jahrhunderts die Rumänen gegenüber allen anderen Ethnien des Kreises (Ungarn, Deutschen, Ruthenen) die relative Mehrheit der Bevölkerung bildeten, im Jahre 1918 hat sich die Lage zugunsten der Ungarn geändert, die 66,7% der gesamten Bevölkerung ausmachten. Die Deutschen, die Ruthenen, die Juden verschwanden fast volkommen, sie wurden von der Madjarisierungsprozess des ungarischen Blocks verschlungen. Leider müssen wir dieselbe Situation auch in manchen rumänischen Gemeinden feststellen, die Anfang des 19. Jahrhunderts noch ihre rumänische Sprache und griechischkatholische Religion bewahrten, Anfang des 20. Jahrhunderts aber schon sowohl ihre Sprache als auch ihre Zugehörigkeit zur griechisch-katholischen Kirche aufgaben (Hajdúdorog, Kallóssemjén, Biri, Csegöld, Porcsalma, Petea, Corod, Oar, Boghiş usw.). Es muss gemerkt werden, dass die rumänisch-ungarische Grenze im Jahre 1920 durch den Trianoner Abkommen gezogen wurde, und sie folgte der imaginären Linie die die zwei ethnischen Blocks voneinander trennte, mindestens aus sprachlicher Hinsicht, und so kann sie als ein Beispiel der Gerechtigkeit gelten. Die Zeit zwischen 1848-1918 war ohne Zweifel entscheidend für die Entwicklung der rumänischen Bevölkerung von Sathmar. Es muss hervorgehoben werden, dass diese Entwicklung bei den Rumänen vor allem eine “aus eigener Kraft” war, (das berühmte Prinzip der liberalen Partei in Rumänien) und war weniger der Staatspolitik zu danken, wie ein Historiker es bemerkt hat: “Die Losung “aus eigener Kraft” hat in den siebenbürgisch rumänischen Nationalbewegungen von Anfang unseres Jahrhunderts eine weitere Tätigkeitssphäre als in Rumänien, zumal sie sich gleichermaßen in der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zeigt. Es ist die natürliche Reaktion einer Ethnie, die für Widerstand und Selbstbehauptung kämpfen sollte, auf allen Ebenen ihres Lebens, gegen eine politisch dominante Ethnie, die Ungarn...”4. Es kann aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Fortschritt der rumänischen Bevölkerung im allgemeinen im Rahmen der rapiden wirtschaftlichen Entwicklung des Imperiums, folglich Ungarns und Siebenbürgens stattfand: „...für Ungarn und für die Gebiete, die es damals hatte, prägte der Dualismus eine Periode des starken wirtschaftlichen Fortschrittes“5. Einige wirtschaftliche Daten sind konkludent in dieser Hinsicht: die Prozentzahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten sank in der Periode zwischen 1867-1910 von 75% zu 60%, die Länge des Eisenbahnnetzes wuchs in der Periode zwischen 1867-1913 von 2.200 km bis 22.000 km, und die Zahl der Banken, der Sparkassen wuchs in der selben Zeitraum von 107 auf 5.400, sie handhabten Kapital und Investitionen über 6,6 Milliarden Kronen6. Dieselben Phänomene treffen auch für das Komitat Sathmar zu. In politischer Hinsicht wird dieser Zeitraum von einigen bedeutenden Ereignissen bestimmt, die wichtigen Folgen für die rumänische Bevölkerung hatten. Die Revolution von 1848 ist eine der Ereignissen von einer besonderen Bedeutsamkeit in der Entwicklung der rumänischen Nation. Infolge der absoluten politischen Vorherrschaft der Ungarn, oder besser gesagt der ungarischen Adeligen konnten die Rumänen in Sathmar keine eigene Bewegung 4 Mihai D. Drecin, "Noiprin not” - variantă a doctrinei liberale "prin noi înşine” (‘Wir selber” - eine Variante der Uberalen Doktrin "aus eigener Kraft”) in “A.I.I.C.”, XXXV, 1996, S. 242. 5 Camil Mureşar», Procesul de modernizare a Imperiului Habsburgic în a doua jumătate a secolului al XlX-lea (Der Modemisierungsprozess des Habsburgerreiches in der Zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts) in “Relaţii intcretnice în zona de contact româno-maghiaro-ucraineană din secolul al XVIII-lea până în prezent”, Satu Mare-Tübingen, 1999, S. 25. 6 Siehe Paul Lendvai, zitiertes Werk, S. 328-329.