Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Roman Stolzlechner: Österreichs Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR und die Bedeutung der KPÖ-Firmen

verwendet worden sind. Lange Lebensdauer der Maschinen und Anlagen galt als Tugend. Abschreibungsfristen von 50 und mehr Jahren waren üblich. Österreichs Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR und die Bedeutung der KPÖ-Firmen Österreichs Außenhandel mit der DDR In Anbetracht der unterschiedlichen Ausgangslagen und Entwicklungs­bedingungen der DDR und Österreichs lassen sich auch Vermutungen anstellen, warum der österreichische Außenhandel mit der DDR nach 1956, also in einer Zeit, in der sich der Osthandel gut entwickelte, nur wenig Fortschritte machte und bis 1974 unbedeutender als der mit den meisten anderen Ostblockländern war. Österreich war zu dieser Zeit wirtschaftlich schon völlig in den westlichen Wirtschaftsraum integriert und importierte als zunächst vergleichsweise rückständige Volkswirtschaft hochwertige Industriegüter hauptsächlich aus Westeuropa oder den USA. Die DDR wiederum war innerhalb des RGW- Wirtschaftsraums ein Exporteur von Industriewaren und stand dabei zunächst nicht unter dem Konkurrenzdruck des Westens. Das hatte, neben anderen Faktoren, zur Folge, dass Industriegüter aus der DDR meist sehr bald geringere Qualität hatten als jene aus dem Westen und daher für Österreich auch weniger attraktiv waren. Der DDR-Außenhandel mit den westlichen Industriestaaten wurde, so wie jener aller RGW-Länder, zunehmend durch Qualitätsbarrieren erschwert. Die Zahlungs­fähigkeit der DDR war dadurch von vornherein beschränkt.6 Abgesehen davon hatte die DDR in der CSSR, mit der Österreich vor dem Krieg weit enger verflochten war als mit Ostdeutschland, einen starken Konkurrenten. Die meisten anderen Ostblockstaaten, wie etwa Polen und die UdSSR, waren wiederum als Rohstofflieferanten interessanter als die DDR. Auch wenn die Handelbeziehungen zwischen den zwei Staaten zunächst nicht bedeutsam waren, entwickelten sich schon Anfang der 50er Jahre spezifische Beziehungen zwischen der DDR und Österreich, die eine gute politische Basis für vertiefte Wirtschaftsbeziehungen schufen. Die SED-Regierung konnte schon früh die zweischneidige Erfahrung machen, die der Handel sozialistischer Länder mit dem Westen mit sich brachte: Sie betrieb ihn von Beginn in großem Ausmaß mit der BRD. Da die DDR vom Handel mit der BRD abhängig war, traf sie der Einbruch des „Interzonenhandels“ in der Folge von Währungsreform, Berlin- Blockade und Boykottpolitik empfindlich. Sie musste stets mit Versuchen der BRD rechnen, den Handel zu politischen Erpressungen zu missbrauchen. Um die Abhängigkeit etwas zu mildern, bot sich, vermittelt über KPÖ-Funktionäre, der Handel mit dem neutralen Österreich an. Einer der ersten KPÖ-Treuhänder war Kurt Menasse. Er war zunächst angestellt bei der Länderbank und dort zuständig für 6 Gumpel, Werner: Die wirtschaftliche Entwicklung des Ostblocks. In: Osthandel in der Krise, hrsg. von Stefan Graf Bethlen. München-Wien 1976. 157

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