Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Roman Stolzlechner: Österreichs Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR und die Bedeutung der KPÖ-Firmen

Roman Stolzlechner den Osthandel. Nachdem ihn die Länderbank gekündigt hatte, weil sie sich, vermutlich nicht zuletzt auf Grund des Drucks der USA, aus dem Osthandel zurückziehen wollte, gründete er für die KPÖ die auf die deutsche Ostzone spezialisierte Firma „Wagner & Co.“. Die Umsätze dieser Firma lagen bei 300 Millionen ÖS. Die Firma „Wagner & Co.“ schloss 1953 mit der DDR einen Kompensationsvertrag ab und ermöglichte erstmals - noch vor den bilateralen Handelsabkommen - der VOEST und später Elin Geschäfte mit der SBZ. Der KPÖ-Treuhänder Jenö Desser, Leiter der kommunistischen Firmengruppe bis in die 70er Jahre, führte mit der SED Vorgespräche, die 1951 unter anderem zur Gründung der Handelsfirma Novum führten, um deren Erbe nach dem Anschluss der DDR ein Streit zwischen der deutschen Treuhand und der KPÖ ausbrach. Der einzige österreichische Betrieb, den die Firma bereits in den 50er Jahre in der DDR direkt vertrat, waren die verstaatlichten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke: die VOEST, der größte österreichische Industriebetrieb. In den Sechzigerjahren begann die Novum unter anderem auch den österreichischen Fahrzeughersteller Steyr Daimler Puch zu betreuen. An der geringen Bedeutung des Außenhandels Österreichs mit der SBZ änderte das aber vorerst nichts. 1960 betrug der Anteil der Importe bzw. Exporte aus der DDR nach Österreich 1,4 Prozent bzw. 1,8 Prozent an den Gesamtimporten und -exporten. Österreich bezog aus der DDR 1960 vor allem Brennstoffe und mineralische Rohstoffe und exportierte vor allem Halbfertig- und Fertigwaren, insbesondere Furniere, Holzerzeugnisse und Schuhe sowie Eisen und Stahl. Zieht man den Handel mit Ungarn, der CSSR, Polen, der UdSSR, Jugoslawien und der DDR heran, war z. B. der Importanteil des DDR-Handels bis 1967 stets um die elf bis zwölf Prozent und somit am niedrigsten. Ab 1965 stagnierten die Importe völlig und machten von 1968 bis 1974 anteilsmäßig nur mehr sieben bis neun Prozent aus. 1970 betrug der Anteil der Importe bzw. Exporte aus der DDR an den Gesamtimporten und - exporten 0,8 Prozent bzw. 0,9 Prozent, 1981 0,8 Prozent bzw. 1,3 Prozent und 1989 0,4 Prozent und 1,3 Prozent. Die Exporte begannen erst 1971 wieder etwas mehr anzusteigen, aber bis 1974 immer noch weniger als in anderen Ostländern. Der Zahlungsverkehr mit der DDR erfolgte wie bei den Oststaaten auf der Grundlage von bilateralen Clearings, welche eine gegenseitige Aufrechnung von Forderungen vorsahen. Der Übergang zu Zahlungen in frei konvertibler Währung erfolgte Ende 1973. 1974 war der Import bzw. Exportanteil westlicher Industrieländer am DDR- Außenhandel 34,2 Prozent bzw. 27,4 Prozent, davon war der Anteil der BRD 8,2 Prozent bzw. sieben Prozent. Der Anteil Österreichs am DDR-Westhandel war 8,9 Prozent bzw. 7,6 Prozent. Interessant ist auch, dass bereits in den 70er Jahren der Anteil des DDR-Außenhandels am BNP wesentlich geringer war als der Außenhandelanteil Österreichs am BNP. Österreichs Wirtschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits wesentlich stärker in die Weltwirtschaft eingebettet als die DDR- Wirtschaft. Was den RGW-Raum betrifft, ist zu sagen, dass der Handel der DDR mit anderen RGW-Ländem eine größtenteils komplementäre Struktur (Austausch 158

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