Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Gertrude Enderle-Burcel: Josef Dobretsberger - ein politischer Grenzgänger im Ost-West-Handel

nachweisen,48 wohl in der Hoffnung, dass die Demokratische Union der ÖVP Stimmen kosten werde. Mit dem Beitritt Dobretsberger zum kommunistisch dominierten Friedensrat 1950 nimmt Autengruber an, dass die Geldquellen aus der Industrie versiegt seien. Dies mag für die Partei zutreffen, doch nicht für die Person Dobretsberger, dessen Büro für den Ost-West-Handel, auf das noch im Detail eingegangen wird, jahrzehntelang nur durch Finanzierung durch die Industrie agieren konnte. Mit dem Beitritt der Demokratischen Union zu der im November 1952 gegründeten „Wahlgemeinschaft Österreichische Volksopposition“ verlor die Partei ihre Anhänger, da es sich dabei um ein Wahlbündnis zwischen KPÖ, der Partei der Linkssozialisten von Erwin Scharf9 und der Demokratischen Union für die Nationalratswahlen im Februar 1953 handelte. Bei Gründung der Volksopposition wurden von der KPÖ, namentlich von Emst Fischer und Friedl Fümberg, KPÖ-Mitglieder in die Demokratische Union entsandt. Kurt Stimmer gab für die Zeit seiner Tätigkeit als Sekretär und Redakteur in der Demokratischen Union sein Parteibuch in der KPÖ ab und war in Niederösterreich und Burgenland für die Demokratische Union tätig, wo er nicht so bekannt war wie in Wien. Stimmer wurde für diese Tätigkeit ausgewählt, da er auch Sekretär der Gemeinschaft christlicher Demokraten war, einer überparteilichen Organisation, der auch Emst Karl Winter und Prof. August Maria Knoll angehörten. Die Organisation hatte allerdings nur rund zwanzig Mitglieder.50 Neben Stimmer wurden auch noch andere KPÖ-Mitglieder in der Demokratischen Union tätig. Bei den Wahlen 1953 blieb Dobretsberger ohne Mandat51 und die Partei verlor in weiterer Folge immer mehr an Bedeutung. Bei den Nationalrats wählen 1956 spielte die Demokratische Union keine Rolle mehr.52 Mit dem Eingehen eines Wahlbündnisses mit den Kommunisten hatte Dobretsberger die eng gesteckten Grenzen im politischen Lagerdenken der Zweiten Republik weit überschritten. Sein politischer Werdegang „zeigt die beschränkten Möglichkeiten auf, die in der frühen Zweiten Republik ein unkonventioneller politischer Mann der Rechten hatte“.53 Jenseits der Großparteien war ihm „nur das Getto der Kommunisten“ als Alternative zu Rückzug ins Private oder nochmalige Emigration geblieben.54 Mit Abflauen des Kalten Krieges ist es stiller um ihn Josef Dobretsberger - ein politischer Grenzgänger im Ost-West-Handel 48 Autengruber: Kleinparteien, S. 172. 49 Erwin Scharf (29. August 1914 Trebar/Böhmen bis 6. September 1994 Wien), 1945 bis 30. Oktober 1948 einer der Zentralsekretäre der SPÖ, 1948 wegen Eintretens für eine Zusammenarbeit mit der KPÖ aus der SPÖ ausgeschlossen, gründete 1949 die Partei der Linkssozialisten, die er 1956 in die KPÖ überführte. 50 Angaben im Gespräch mit Prof. Kurt Stimmer am 28. Mai 2004. 51 Ludwig, Eduard: Österreichs Sendung im Donauraum. Wien 1954, S. 273. 52 Autengruber: Kleinparteien, S. 172-177. 53 Fleck: Der Fall Brandweiner, S. 86. 54 Fleck: Der Fall Brandweiner, S. 86 f. 139

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