Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Gertrude Enderle-Burcel: Josef Dobretsberger - ein politischer Grenzgänger im Ost-West-Handel

Gertrude Enderle-Burcel geworden.55 Die meisten biografischen Beiträge zu Dobretsberger enden mit einem Hinweis auf seine Tätigkeit im Büro für den Ost-West-Handel. In seinem Nachrufen wird in der Arbeiter-Zeitung von einem „Verlust für die Nationalökonomie“ gesprochen.56 In der Presse wird er als „exzellenter Währungs­theoretiker“ bezeichnet. Weiter heißt es, dass Dobretsberger wegen seiner Kommunistenfreundlichkeit diskriminiert wurde, weil er vor mehr als einem Jahrzehnt Gedanken ausgesprochen hat, die heute etwa in der Wirtschaftspolitik (Planifikation) und in der pastoralen Praxis (Öffnung gegenüber anderen Weltanschauungen) vertreten werden.57 Die Moskauer Weltwirtschaftskonferenz - Wegbereiter des Österreichischen Büros für den Ost-West-Handel In die Zeit der Annäherung Dobretsbergers an die KPÖ fiel die Gründung des „Österreichischen Büros für den Ost-West-Handel“ im Jahre 1952. Dieses Büro wurde das Hauptbetätigungsfeld von Josef Dobretsberger bis zu seinem Tod im Jahre 1970. Das Büro selbst bestand bis 1989. Auch wenn auf Grund der Quellenlage nur wenig über die Finanzierung und Tätigkeit des Büros bekannt ist, kann doch angenommen werden, dass Dobretsberger mit dieser Aktivität mehr Erfolg erzielte als innerhalb der bedeutungslos gebliebenen Demokratischen Union. Die Gründung erfolgte durch ein österreichisches Initiativkomitee, das sich vor der Moskauer Weltwirtschaftskonferenz gebildet hatte. Die Umstände rund um diese Konferenz und die darauf folgende Gründung eines Büros für den Ost-West- Handel verdeutlichen die handelspolitischen Probleme am Beginn der 50er Jahre.58 Die Initiative zur Bildung eines Komitees und eines Vorbereitungsausschusses für die internationale Wirtschaftskonferenz gingen eindeutig von Dobretsberger aus, unterstützt von Dr. Helene Legradi, die zu dieser Zeit in den Akten als Sekretärin von Dobretsberger bezeichnet wird. Beide versuchten, einen Vertreter des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau für die Teilnahme an einer Vorbereitungsbesprechung, bzw. Teilnahme an der Weltwirtschaftskonferenz in Moskau zu bewegen. Für den Fall, dass es nicht möglich sei, den Russlandreferenten des Handelsministeriums offiziell nach Moskau zu entsenden, schlug Dobretsberger vor, diesen „offiziös“ als bloßen Fleck: Der Fall Brandweiner, S. 86. 56 Arbeiter-Zeitung, 26. Mai 1970, „Verlust für Nationalökonomie“. 57 Die Presse, 2. Juni 1970, „Prof. Dobretsberger“. 58 Mitteilungen des Österreichischen Büros für den Ost-West-Handel, Nr. 6, Juni/Juli 1952, S. 1 „Österreichisches Büro für den Ost-Westhandel gegründet“, ln weiterer Folge als Mitteilungen zitiert 140

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