Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)
Dieter Stiefel: „Zarte Bande“ Österreich und die planwirtschaftlichen Länder
..Zarte Bande . Österreich und die planwirtschaftlichen Länder Die Entwicklung der einzelnen Länder im Rahmen der Weltwirtschaft ist mit einem „Rudern gegen den Strom zu vergleichen“. Die USA legten - wie in anderen Sportarten auch - ein ordentliches Tempo vor, die „westlichen“ Industriestaaten hatten seit dem zweiten Weltkrieg ihre Schlagzahl erhöht und sind bis auf „Bootslänge“ an die USA herangekommen. Dabei ist es nicht nur unter Ökonomen ein viel diskutiertes Problem, warum sie in den letzten Jahrzehnten trotz aller Erfolge noch nicht das Niveau des führenden Industrielandes erreichen konnten. Auch die „Oststaaten“ konnten den Abstand bis in die 1970er Jahre verringern, erreichten aber nur ein Viertel bis ein Drittel des Niveaus der USA. 5. Bruttonationalprodukt pro Arbeitsstunde Noch deutlicher ist die Produktivitätsentwicklung am Beispiel des BNP pro Arbeitsstunde, bei dem der unterschiedliche Rückgang der Arbeitszeit mit berücksichtigt ist. Da in den USA länger gearbeitet wird, es weniger Urlaubsansprüche und Feiertage gibt, sollte das Wachstum des BNP pro Arbeitsstunde in Österreich und Deutschland höher sein, als das des BNP pro Einwohner. Das ist auch der Fall. Während der Unterschied bei den USA eher gering ist, macht er in Österreich etwa 25 Prozent aus und drückt damit jenen Teil an Wirtschaftswachstum aus, der nicht in Einkommen, sondern in Freizeit abgegolten wurde. Langfristig zeigt das jährliche Wachstum des BNP je Arbeitsstunde wieder das bekannte Bild. Bereits 1870 war die Produktivität in den USA deutlich höher als in Österreich oder Deutschland. Die beiden Länder konnten aber bei den Wachstumsraten bis zum Ersten Weltkrieg mithalten, so dass sich der Unterschied bis 1913 kaum verändert hat. Die dramatische Entwicklung liegt in den Jahren von 1913 bis 1950, wo das Wachstum in Österreich und Deutschland stark zurück fiel und sich das der USA sogar noch beschleunigt. 1950 machte das BNP pro Arbeitsstunde in Deutschland und Österreich daher gerade noch etwa ein Drittel der USA aus. Erst Anfang der 1970er Jahre erreichten die beiden Länder beim BNP pro Arbeitsstunde wieder ein Verhältnis zu den USA, wie es hundert Jahre vorher schon einmal gegeben war. Durch mehr als doppelt so hohe Wachstumsraten war man aber bis 1992 so nahe wie noch nie zuvor an die USA heran gekommen. 27