Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)
Dieter Stiefel: „Zarte Bande“ Österreich und die planwirtschaftlichen Länder
und Wachstumsraten, wie sie bisher noch nicht erreicht worden waren. Diese Phase war aber auch ein zumindest „Silbernes Zeitalter“ für die planwirtschaftlichen Länder. Bis Anfang der 1970er Jahre vollzogen sie einen durchaus erfolgreichen „zweifachen“ Wiederaufbau: einmal die Bewältigung der Kriegsschäden und zum anderen den Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft, die in den einzelnen Ländern recht unterschiedliche Formen annahm. Die wirtschaftliche Dynamik entsprach zwar nicht ganz der des „Westens“, doch so gut wie alle planwirtschafflichen europäischen Länder hatten beachtliche Wachstumsraten. Die Phase der auf beiden Seiten erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung erfolgte vor dem Hintergrund einer Trennung der Weltwirtschaft in zwei Blöcke, mit Boykottmaßnahmen des „Westens“ und Außenhandels- und Devisenbeschränkungen des „Ostens“. Während sich die Hegemonie der USA durch ihre wirtschaftliche Überlegenheit von selbst ergab, verlagerten sich die Wirtschaftsbeziehungen der „osteuropäischen“ Länder aus politischen Gründen in Richtung Sowjetunion. 1973-1992: Die „Goldenen Zwanzigjahre“ enden mit den Erdölpreisschocks der 1970er Jahre und dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods. Ansteigende Arbeitslosigkeit und Inflation (Stagflation) mit sinkenden Wachstumsraten führten zum wirtschaftspolitischen Umdenken in vielen Ländern. Andererseits wurde sehr wohl die weltwirtschaftliche Liberalisierung weiter fortgesetzt (GATT) und die europäische Integration EG bzw. EU verzeichnete erhebliche Fortschritte. Wachsende Bedeutung kam nun der Informationstechnologie zu, die weltwirtschaftlich eine Innovation im wahren Sinn des Wortes darstellte. Am Ende der Periode steht die „Ostöffnung“ 1988/90, der Übergang der europäischen planwirtschaftlichen Länder zur Marktwirtschaft. Denn obwohl sich diese Länder scheinbar planwirtschaftlich von der Weltwirtschaft abgeschirmt hatten, war diese Phase auch, oder besonders für sie eine Krisenzeit. Die Gründe hierfür waren vielfältig und lagen nicht nur im wirtschaftlicher Bereich. Sie hingen u. a. mit einem politisch bedingten Mangel ar Innovationsbereitschaft beim Übergang vom „Maschinenzeitalter“ zurr „Informationszeitalter“ zusammen. Auch die Kosten des Kalten Krieges und dei Rüstungsindustrie schlugen bei den ärmeren Ländern des „Ostblocks“ viel höher zi Buche, als im Westen und bedingten eine mangelnde Versorgung an Konsumgütern Und schließlich muss man sich die wirtschaftliche Entwicklung seit dei Industrialisierung als eine Art „Wettlauf1 vorstellen, bei dem es darauf ankommt das Tempo zu halten und den Abstand zu den führenden Industriestaaten nicht zi groß werden zu lassen. Ein geringeres Wachstum führt daher zu einen Entwicklungsrückstand. „Zarte Bande“. Österreich und die planwirtschaftlichen Länder Ein Spiegelbild dieser Entwicklung ist die Wachstumsrate des BNP prc Einwohner. Die Phase von 1820 bis 1870 umfasst die erste Industrialisierung dei 1'