Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)
Dieter Stiefel: „Zarte Bande“ Österreich und die planwirtschaftlichen Länder
Dieter Stiefel unterlagen. Wie diese Beziehungen dennoch abliefen gehört zu den spannensten Themen der Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, bei deren Bearbeitung wir aber erst am Anfang stehen. 2. Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung Planwirtschaftliche Länder waren nicht immer planwirtschaftlich! Auch sie bauten auf eine marktwirtschaftliche Grundlage auf und machten die ersten hundert Jahre der Industrialisierung je nach ihrem Entwicklungsstand unter kapitalistischen Vorzeichen mit. Die OECD bietet hierfür eine Studie, in der die lange Zeitspanne von 1820 bis 1992 statistisch dargelegt wird.1 Dabei unterscheidet sie folgende Phasen der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung: 1820—1870: Die erste Industrialisierungswelle, die vor allem durch die Dominanz Großbritanniens gekennzeichnet ist und in welcher der Eisenbahnbau und die Schwerindustrie dominierten. 1870-1913: Die zweite Industrialisierungswelle, die nun die meisten europäischen Länder erfasst. Die USA und das Deutsche Reich übernehmen dabei die wirtschaftliche Führung und die Elektro- und chemische Industrie gewinnen an Bedeutung. Durch ein neues Kolonialsystem (Imperialismus) werden kapitalistische, marktwirtschaftliche Strukturen auf die ganze Welt ausgedehnt. 1913-1950: Hier trennen sich die Wege. Die Zeit der beiden Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise, die in Europa und in Asien durch schwere wirtschaftliche Rückschläge gekennzeichnet sind, fuhren auch zum Suchen nach einer Alternative zum liberalen marktwirtschaftlichen System. Die russische Revolution 1917, der Zerfall der Habsburgermonarchie und des Osmanischen Reiches nach 1918, die neuen Grenzziehungen in Europa nach 1945, der Sieg der Kommunisten in China 1948, die Entstehung des Ostblocks und der Beginn des Kalten Krieges waren politische Faktoren, die zwangsläufig eine erhebliche Auswirkung auf die weltweite wirtschaftliche Entwicklung hatten. Hier beginnt die Phase der „Systemkonkurrenz“ zwischen marktwirtschaftlichen, kapitalistischen und planwirtschaftlichen, kommunistischen Ländern. 1950-1973: Das „Goldene Zeitalter“ gekennzeichnet durch Entkolonialisierung, Liberalisierung des Welthandels und der wirtschaftlichen Hegemonie der USA. Vor allem Westeuropa und einzelne asiatische Länder erleben ein Wirtschaftswunder 16 M add is on, Agnus: Monitoring the World Economy 1820-1992. OECD Development Centre Studies. Paris 1995.