Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)
Dieter Stiefel: „Zarte Bande“ Österreich und die planwirtschaftlichen Länder
„Zarte Bande". Österreich und die planwirtschaftlichen Lander Abstrahiert man diese Institutionen und Interessenslagen, so war der wesentliche Unterschied zwischen „Ost und West“ die dezentrale Entscheidungsstruktur in der Marktwirtschaft. Im Kapitalismus fallen wirtschaftliche Entscheidungen in den Unternehmungen und in den Haushalten und werden in irgendeiner Form Uber den Markt koordiniert. Der Staat gibt lediglich die allgemeinen Rahmenbedingungen vor. Das ist ein System mit vielen Nachteilen - Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, große Einkommensunterschiede und wirtschaftlicher Existenzdruck - aber mit einer hohen innovativen Dynamik und Produktionskapazität. Ein marktwirtschaftliches Unternehmen wird daher von der Finanzseite her gesteuert, es muss seine Kosten im Griff haben und Gewinne erzielen, um überleben zu können. In Bezug auf den Osthandel sind daher die Gewinnmöglichkeiten und die Sicherheit der wirtschaftlichen Tätigkeit ausschlaggebend. Wie sicher sind Kredite und Investitionen und können Gewinne problemlos transferiert werden? Den westlichen Staaten kam hier eine bedeutende Rolle etwa bei Kreditgarantie oder zwischenstaatlichen Verträgen zu, die im Handel mit anderen Ländern zumindest nicht in diesem Ausmaß notwendig waren. Grundsätzlich wurde aber der „Ostblock“ als ein riesiger potenzieller Markt gesehen, der lediglich schwer zu bearbeiten war. In den Planwirtschaften hingegen wurden wirtschaftliche Entscheidungen stets auch als politische Entscheidungen getroffen. Durch ein Informationssystem von Unten und ein Planungssystem von Oben wurden zeitlich- und produktionsmäßig abgestufte gesamtwirtschaftliche Pläne erstellt, welche die Vorgabe für die Untemehmenstätigkeit bildeten. Die Betriebe wurden daher von der Produktionsseite her gesteuert, indem sie mengenmäßige Planvorgaben bekamen, die Kostenseite spielte eher eine geringere Rolle. Vorrang hatte dabei in der Regel der Aufbau der Industrie, mit erheblicher Bedeutung der Rüstungswirtschaff. Der Außenhandel war in der Regel ein Staatshandel und erfolgte unter Mitwirkung der entsprechenden Ministerien. Das Ziel war die Unterstützung der eigenen Industrialisierung und der Import von Mangelgütem. Die größte Beeinträchtigung kam dabei von der Devisenseite her. Da ihre Exportguter vielfach nicht westlichen Standards entsprachen, litten diese Länder unter Devisenmangel und mussten ihre Importtätigkeit dementsprechend ausrichten, etwa über Devisenbewirtschaftung oder Kompensationsgeschäfte. Beim Außenhandel zwischen marktwirtschaftlichen Ländern stehen sich daher sehr ähnliche Institutionen gegenüber. Die betriebswirtschaftliche Ausbildung hat unter amerikanischem Einfluss nach 1945 weltweit vergleichbare Standards erreicht. Die solide Basis der Kommunikation ist die Gewinnerzielung, - das kann man kritisieren, aber darauf kann man sich auch verlassen. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu den planwirtschaftlichen Ländern waren aber „zarte Bande“ zu Partnern, die einer anderen wirtschaftlichen Logik und anderen Interessen 15