Gertrude Enderle-Burcel, Dieter Stiefel, Alice Teichova (Hrsg.): Sonderband 9. „Zarte Bande” – Österreich und die europäischen planwirtschaftlichen Länder / „Delicate Relationships” – Austria and Europe’s Planned Economies (2006)

Roman Stolzlechner: Österreichs Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR und die Bedeutung der KPÖ-Firmen

Roman Stolzlechner haben aber freilich die Einfuhren z. B. von Erdöl und Erdgas aus der Sowjetunion beträchtlich zugenommen. Die Entwicklung der Handelsbeziehungen Österreichs mit der DDR nahm einen Verlauf, der von jenem des österreichischen Osthandels im Allgemeinen zumindest in manchen Phasen erheblich abweicht. Vor allem fällt auf, dass bis 1974 der Außenhandel mit der DDR unbedeutender als der mit den meisten anderen Ostblockländem war. Um die für diese Entwicklung entscheidenden Faktoren und den möglichen Einfluss der KPÖ-Firmen besser abschätzen zu können, möchte ich nochmals kurz die Ausgangsbedingungen der beiden Volkswirtschaften in Erinnerung rufen. Die Ausgangslage der DDR und Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg Die Industrie der deutschen Ostzone war bereits vor dem Krieg hoch entwickelt und wurde im Rahmen der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft bis 1944 noch erheblich ausgeweitet.3 Vor allem Maschinen- und Fahrzeugbau, Feinmechanik, Optik, Elektroindustrie, Eisen- und Stahlindustrie, chemische und Kraftstoffindustrie waren Branchen, die schnell wuchsen. Die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) verfugte daher bei Kriegsende über ein beachtliches Industriepotenzial. Die Kriegschäden waren niedriger als in der Westzone und das Arbeitskräftepotenzial verminderte sich nur kurzfristig. Zudem war die SBZ potenziell agrarisches Überschussgebiet. Allerdings war sie schon vor dem Krieg bei wichtigen Rohstoffen und Vormaterialen fast vollständig von Lieferungen aus anderen Teilen Deutschlands abhängig. Das Fehlen von Steinkohle, Eisen und Stahl wurde nach dem Krieg der entscheidende Schwachpunkt in der Struktur der SBZ- Wirtschaft. Das wurde spätestens 1948, am Beginn der Berlin Blockade, und 1950, am Beginn des Koreakrieges, erkennbar. Ein weiteres Handicap beim Wiederaufbau waren Demontagen und Reparationsleistungen. Die Sowjetunion demontierte bis 1948 ca. 3 000 Industriebetriebe teilweise oder vollständig. Bis 1950 ging zudem ein erheblicher Teil der Industrieproduktion für Reparationsleistungen in die Sowjetunion: 1946 49 Prozent, 1948 31 Prozent und 1950 ca. 19 Prozent des Bruttosozialprodukts. Selbst im letzten Reparationsjahr, 1953, beliefen sich die Reparationsleistungen noch auf rund 13 Prozent des Jahresaufkommens.4 Die SBZ mussten fast drei Mal so viel Leistungen für die Wiedergutmachung erbringen wie die Westzonen. 3 Steiner, André: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR. München 2004, S. 20. 4 S tari tz, Dietrich: Geschichte der DDR. Frankfurt am Main 1996, S. 59. 154

Next

/
Thumbnails
Contents