Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China
Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel österreichischer Berichte aus China Er berichtete, dass er sich durch die Strapazen der Seymour-Expedition „ein hartnäckiges, schweres Magen- und Darmleiden“ zugezogen hatte. Zur Teilnahme an einem möglichen Vormarsch gegen Beijing, „welcher nicht vor Mitte September angetreten werden dürfte“, war er trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigung grundsätzlich bereit. Konsul Pisko hatte ihn jedoch bereits aufgefordert, wieder nach Shanghai zurückzukehren, falls er Beijing „in absehbarer Zeit nicht erreichen könne“. Angesichts seines angegriffenen Gesundheitszustandes bat Gottwald, mich vorläufig in der kräftigenden Seeluft zu belassen, weil ich in Shanghai, woselbst die Monate Juli, August und September für Dysenterie die gefährlichsten sind, infolge meines zugezogenen Leidens und der völligen Entkräftung wohl bald ganz erliegen würde.276 Am 3. Juli schiffte er sich auf der Reede von Dagu an Bord S.M.S. „Zenta“ ein.277 Bis zu seiner Rückberufung nach Shanghai verfasste Gottwald noch mehrere Berichte, in denen er einerseits Informationen über die in Nordchina lebenden Staatsangehörigen der Monarchie in übersichtlicher Form zusammenstellte und andererseits die Gerüchte über die Situation der Gesandtschaften in Beijing an das Ministerium des Äußern berichtete. Auch über die Erstürmung der Dagu-Forts (17. Juni) und über die Kämpfe um Tianjin sammelte er Daten, um sie nach Wien zu berichten. Die letzten Nachrichten aus Beijing, die am 2. Juli in Tianjin Vorlagen, datierten vom 25. Juni. Es hieß, die in den Gesandtschaften eingeschlossenen Europäer seien „heftigem Gewehrfeuer ausgesetzt und schon seit einigen Tagen ohne Proviant; die die Gesandtschaften bestreichenden Kanonen haben jedoch nicht gefeuert.“ Gottwald berichtete am 2. Juli ferner über die Ermordung des deutschen Gesandten Ketteier und über die angebliche Flucht der Kaiserin-Witwe aus Beijing. Gottwald berichtete, dass „halb Peking in Flammen steht“ und gab sich keinerlei Hoffnungen auf einen schnellen Entsatz der Gesandtschaften hin: An eine rasche Hilfeleistung ist vorläufig nicht zu denken, weil zu einem solchen Vormarsche mindestens 50 000 Mann nöthig wären und die nunmehr eintretende Regenzeit große Terrainschwierigkeiten verursacht.278 Am 4. Juli 1900 schrieb Gottwald aus Dagu über die im Norden Chinas lebenden Angehörigen der Monarchie.279 Er wusste zu berichten, dass sich außer dem Personal der k. u. k. Gesandtschaft und dem von S.M.S. „Zenta“ gestellten Landungsdetachement auch Eugen Wihlfahrt, Beamter der russisch-chinesischen HHStA, P.A. XX1X/14, Gottwald an Gotuchowski, Taku, 13.7.1900. Zu Gottwalds Zustand vgl. auch HHStA, P.A. XXIX/18, Pisko an MdÄ, Bericht ZI. LXXIV Polit., Shanghai, 9.7.1900. KA, MS/OK 1900-V-l 1/21, Nr. 1 849, S.M.S. „Zenta“, Res. No. 192, Vorfallenheiten seit 2. Juli, Vor Taku, 6.7.1900. HHStA, P.A. XXIX/14, Gottwald an Gotuchowski, Tientsin, 2.7.1900. Zu den über die Schicksale in China lebender österreichischer und ungarischer Staatsangehöriger im Sommer 1900 in der Monarchie verbreiteten Mitteilungen vgl. den Abschnitt über die Berichterstattung der österreichischen Presse. 97